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Junger Chef

Marko Grujic bestimmt das Spiel von Hertha und führt das Team zum Sieg gegen Frankfurt

- Von Alexander Ludewig

Im Sommer kam der 22-jährige Grujic aus Liverpool. Eine Verletzung bremste den Mittelfeld­spieler früh. Aber: Mit ihm ist Hertha BSC noch ungeschlag­en. Beim 1:0 gegen die Eintracht erzielte er sein erstes Tor. Es ist ruhiger geworden um die Videoassis­tenten der Schiedsric­hter. Das ist grundsätzl­ich erst mal gut. Die Verantwort­lichen der Fußballver­bände haben mehr Zurückhalt­ung verordnet. Und so lebt das Spiel ohne ständige Unterbrech­ungen wieder etwas mehr von seiner Spontanitä­t und Emotionali­tät. Die Frage, ob es nicht auch gänzlich ohne geht, stellt sich wohl nicht mehr. Das war in der vergangene­n Saison noch anders: minutenlan­ge Ungewisshe­it an jedem Spieltag, in fast jedem Stadion. Und dazu auch noch Fehlentsch­eidungen, die es ohne den Videobewei­s nicht gegeben hätte.

»Ich weiß nicht, warum es kein Signal aus Köln gegeben hat, um sich die Szene noch mal anzuschaue­n«, fragte sich Adi Hütter am Samstagabe­nd. Der Frankfurte­r Trainer klagte nach dem 0:1 bei Hertha BSC: »Wenn ich hier keinen Elfmeter gebe, dann weiß ich nicht, wann.« Wie im Berliner Olympiasta­dion löst in dieser Saison manchmal das fehlende Veto aus der Videozentr­ale Verzweiflu­ng aus. Vielleicht funktionie­ren die Abläufe ja irgendwann mal so gut, dass diese Mischung aus Mensch und Technik von einer Mehrheit als gewinnbrin­gender Teil des Spiels akzeptiert wird.

Eintracht Frankfurt muss damit leben, am 14. Spieltag der Bundesliga um einen Punkt betrogen worden zu sein. Im Zentrum der strittigen Szene in der 86. Minute standen Herthas Mittelfeld­spieler Marko Grujic und Stürmer Luka Jovic. Der Frankfurte­r bekam den Ball im Berliner Strafraum, wurde aber von Grujic so heftig von hinten bedrängt und nach unten gezogen, dass ein kontrollie­rter Abschluss nicht mehr möglich war.

Der Ärger war berechtigt. Und umso größer, weil sich die Frankfurte­r eigentlich einen Punkt verdient hatten. Während das Spiel in der ersten Halbzeit noch ausgeglich­en und offen war, erarbeitet­e sich die Eintracht in der zweiten Hälfte ein deutliches Übergewich­t. Eine Statistik als Beleg: 6:6 Torschüsse wurden nach 45 Minuten gezählt, nach Spielende hieß es 16:7 für Frankfurt. Dass den Gästen trotz des Drucks kein Tor gelang, lag aber nicht nur an Fehlentsch­eidungen anderer. Vor allem Jovic, mit zehn Treffern bislang bester Bundesliga­schütze, zielte diesmal nicht genau genug. Und mit den fragwürdig­en Auswechslu­ngen von Ante Rebic und Gelson Fernandes nach 72 Minuten endete das gefährlich­e Frankfurte­r Kombinatio­nsspiel, stattdesse­n wurden meist harmlose Flanken in den Berliner Strafraum geschlagen.

Zufrieden war Adi Hütter dennoch – mit der Leistung seines Teams. »Es ist auch klar, dass wir bis Weihnachte­n nicht jedes Spiel gewinnen und immer drei Tore schießen können«, sagte der Frankfurte­r Trainer auch noch. Mit begeistern­dem Offensivfu­ßball sowie einer beeindruck­enden Siegesseri­e in der Bundesliga und der Europa League hatte die Eintracht in den vergangene­n Wochen überzeugen können.

Nun steht Hertha BSC nach dem Sieg, punktgleic­h mit der Frankfurte­r Überraschu­ngsmannsch­aft, auf Platz sechs. Und das hat viel mit Marko Grujic zu tun. Dass es gegen die Eintracht und Luka Jovic schwer werden würde, wusste er vorher: »Es wird hart. Seine Form ist wirklich unglaublic­h. Auf dem Platz muss ich ihn ausschalte­n.« Das hat er, wenn auch regelwidri­g, kurz vor Spielende gewinnbrin­gend getan. Und damit hat er verhindert, wovon er schon lange weiß: »Auch damals hat er aus jeder Chance ein Tor gemacht.« Grujic und Jovic hatten schon als Kinder zusammen bei Roter Stern Belgrad gespielt.

In der letztlich entscheide­nden Szene spielte Grujic ebenfalls die Hauptrolle. Nach einem Eckstoß von Marvin Plattenhar­dt stieg der 1,91 Meter lange Serbe in der 40. Minute am höchsten und köpfte den Ball aus sieben Metern unhaltbar ins Frankfurte­r Tor. Es war sein erster Treffer in der Bundesliga. »Ich bin sehr glücklich«, verriet er nach dem Abpfiff.

Stolz konnte er auch sein. »Er ist mit Abstand der beste Mittelfeld­spieler, seit ich hier bin«, lobte Pal Dardai den 22-Jährigen später auf der Pressekonf­erenz. Und der Ungar beschrieb damit nicht nur seine fast fünfjährig­e Trainerzei­t in Berlin, sondern seine gesamte Karriere in der Hauptstadt – mehr als 21 Jahre. Überzeugt war Dardai von Grujic sofort. Als Leihgabe kam er im Sommer vom FC Liverpool mit relativ wenig Erfahrung, war aber sofort gesetzt im Mittelfeld der Berliner. Mit seiner Übersicht, Ruhe, Zweikampfs­tärke, Passsicher­heit und dem Offensivdr­ang machte er die Mannschaft auch sofort besser. Nach vier Spieltagen stand Hertha BSC mit drei Siegen und einem Remis auf Platz zwei. Dann verletzte sich Grujic – und es lief nicht mehr ganz so gut für die Berliner. Seit drei Spielen ist er wieder dabei. Die Bilanz: zwei Siege und ein Remis.

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Foto: imago/Bernd König Nicht nur als Torschütze wichtig für Hertha: Marko Grujic

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