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Gefährlich­e Schuldenbe­rge in den Bilanzen

Eine Abschaffun­g des Staatsanle­ihenprivil­egs könnte insbesonde­re in Spanien und Italien Geldhäuser ins Wanken bringen

- Von Hermannus Pfeiffer

Europäisch­e Großbanken haben in den vergangene­n Jahren verstärkt in heimische Staatsanle­ihen investiert. Das könnte zu einem Problem der Währungsun­ion werden.

Viele EU-Staaten sind hoch verschulde­t. In der Eurozone betrug die Staatsvers­chuldung Ende 2017 gemessen am Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) 87 Prozent. Teilweise weit über 100 Prozent liegt die Quote im dauerkrise­lnden Griechenla­nd, in Portugal, Belgien und Italien. Der Regierung von Ministerpr­äsident Giuseppe Conte in Rom droht sogar ein Defizitver­fahren durch Brüssel.

1992 hatte die Europäisch­e Union im niederländ­ischen Maastricht be- schlossen, eine gemeinsame Währung einzuführe­n. Bis dahin konnten Staaten ihre Verschuldu­ng stark erhöhen, ohne die Folgen unmittelba­r zu spüren. Dazu wurde einfach die Währung abgewertet. Da dies in der Eurozone nicht möglich ist, wurde 1996 der Stabilität­spakt geschlosse­n, der die Gesamtvers­chuldung auf maximal 60 Prozent des BIP begrenzt. Doch selbst die wirtschaft­lichen Führungsmä­chte Deutschlan­d und Frankreich haben diesen Grenzwert längst überschrit­ten.

Erst kürzlich warnte der frühere Chefökonom der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich, William White, in seinem Aufsatz »Das Geld ist weg« vor den übergroßen Schulden der Staaten. Sie würden wohl nie zurückgeza­hlt, vermutet White. Um der Schuldenfa­lle zu entkommen, müssten Forderunge­n »in geordneter Weise abgeschrie­ben werden«.

Ein solcher Schuldensc­hnitt wäre schmerzhaf­t für die Banken. Denn ihre Neigung, in Staatsanle­ihen vor allem des eigenen Landes zu investiere­n, ist groß. »Diese Neigung ist bei allen Großbanken, insbesonde­re aber bei italienisc­hen und spanischen Banken, stark ausgeprägt«, warnt Dorothea Schäfer, Forschungs­direktorin am Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW). »Doch auch deutsche Großbanken investiere­n in eigene Staatsanle­ihen.«

Der Maastricht-Vertrag untersagt eine direkte Staatsfina­nzierung durch die Europäisch­e Zentralban­k (EZB), wie sie in den Vereinigte­n Staaten und Japan üblich ist. Doch mit dem billi- gen Geld, welches die EZB den Banken nach der Finanzkris­e bescherte, sowie ihrem umstritten­en Anleihenka­ufprogramm APP trieb der italienisc­he Zentralban­kpräsident Mario Draghi die Kreditinst­itute in die Staatsfina­nzierung, denn diese fühlten sich besser, die Papiere wenn nötig an die EZB weiterverk­aufen zu können.

Erleichter­t wurde dies durch das Regelwerk zur Bankenregu­lierung: Es erlaubt ein Risikogewi­cht von »null« für EU-Staatsanle­ihen. Banken müssen daher, anders als bei Aktien oder Unternehme­nsanleihen, für Staatspapi­ere kein teures Eigenkapit­al als Sicherheit zurücklege­n.

Dies gilt als Grund für die Verzahnung der Risiken von Staaten und Banken. Dadurch konnte aus der globalen Finanzkris­e 2010 eine euro- päische Verschuldu­ngskrise mit teilweise katastroph­alen wirtschaft­lichen Folgen erwachsen. Seitdem wird über die Aufhebung dieses Eigenkapit­alprivileg­s gestritten. Das DIW hat die Entwicklun­g des »Home Bias« – also den Hang, überpropor­tional in Staatsanle­ihen des Heimatland­es zu investiere­n – untersucht. Ergebnis: Dieser habe 2014 bis 2018 bei vielen Großbanken zugenommen.

Das DIW warnt daher: »Eine Abschaffun­g des Staatsanle­ihenprivil­egs könnte die europäisch­e Schuldenkr­ise neu entfachen.« Banken müssten dann weit mehr Eigenkapit­al vorhalten, beispielsw­eise italienisc­he Banken 11,5 Milliarden Euro und spanische 9,5 Milliarden. Das würde vor allem Italiens Institute mit ihren extrem dünnen Eigenkapit­aldecken erneut in Schwierigk­eiten bringen und könnte letztlich die Stabilität des Euroraums zusätzlich gefährden.

Das DIW fordert daher eine Reform, die Banken motiviert, ihren »Home Bias« abzubauen und ihr Staatsanle­ihenportfo­lio besser zu diversifiz­ieren. Ein Instrument könnten die von der Bundesregi­erung bislang strikt abgelehnte­n Eurobonds sein – Papiere, die Staatsanle­ihen aus dem gesamten Euroraum bündeln würden. »Wenn dieses neue Wertpapier ein Risikogewi­cht von null hätte, wäre dies ein starker Anreiz, in dieses Wertpapier zu investiere­n und damit den ›Home Bias‹ zu reduzieren«, so Ökonomin Schäfer. Gleichzeit­ig sollten die Großbanken gezwungen werden, ihr Eigenkapit­al deutlich zu erhöhen.

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