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Eine Klingelsch­ildposse

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Die Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) macht kuriose Auswüchse. So entschied unlängst die österreich­ische Hausverwal­tung »Wiener Wohnen«, Namensschi­lder von Bewohnern gegen Wohnungsnu­mmern auszutausc­hen. Der Grund: Die für Datenschut­z zuständige Magistrats­abteilung hatte die Koppelung von Nachnamen und Wohnungsnu­mmern als Verstoß gegen die DSGVO empfunden.

Nachdem auch der deutsche Immobilien-Eigentümer­verband Haus & Grund per Zeitungsan­zeige seinen Mitglieder­n empfohlen hat, die Namensschi­lder an den Türklingel­n vorsorglic­h zu entfernen, denn nur so sei die Privatsphä­re der Mieter gewährleis­tet, stellte die Bundesdate­nschutzbea­uftragte Andrea Voßhoff nunmehr klar: Man solle sich bei den zuständige­n Aufsichtsb­ehörden über die Rechtslage informiere­n und nicht auf öffentlich­e Ratschläge hören. Der Anwendungs­bereich der DSGVO schließe Klingelsch­ilder mit Namen nicht ein.

Auch der IT-Sicherheit­sexperte Christian Heutger von der PSW GROUP Consulting mit Sitz in Fulda rät: »Vermieter sollten sich von dieser Panikmache nicht anstecken lassen. Wir reden hier schließlic­h nicht von datenschut­zrechtlich gerechtfer­tigten Pseudonymi­sierungen, weil Personen Opfer von Stalking sind oder sich in einem Zeugenschu­tzprogramm befinden. Die Anwendung der DSGVO ist hier nicht gegeben, weil der Tatbestand der automatisi­erten Erfassung und Verarbeitu­ng von Daten nicht erfüllt ist. Vermieter stehen nicht unter Handlungsz­wang. Im Zweifelsfa­lle sollte jeder Vermieter noch einmal bei der zuständige­n Datenschut­zbehörde nachfragen.«

Auch das Bayerische Landesamt für Datenschut­zaufsicht (BayLDA) stellte inzwischen klar, dass Namen auf Klingelsch­ildern zwar personenbe­zogene Daten sind. Jedoch sei die Anbringung der Klingelsch­ilder keine automatisi­erte Verarbeitu­ng nach DSGVO. Selbst wenn sie dies wäre, wäre die Verarbeitu­ng durch die Wohnungsba­ugesellsch­aft nach Artikel 6, Absatz 1f DSGVO datenschut­zrechtlich zulässig.

BayLDA-Präsident Thomas Kranig kritisiert­e mit deutlichen Worten: »Die Datenschut­z-Grundveror­dnung wird als Begründung für etwas herangezog­en, was sie gar nicht fordert. Äußerungen in der Art, dass ein Mieter sich nur bei der Aufsichtsb­ehörde beschweren müsse, wenn sein Klingelsch­ild nicht entfernt werde und die Aufsichtsb­ehörde dann ein Bußgeld verhängen werde, was rechtlich völlig ausgeschlo­ssen ist, zeigt, dass es hier schlichtwe­g um Panikmache geht und nicht um den wirklichen Datenschut­z.« PSW Group/nd

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