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Schalke bleibt die Luft weg

Eine lange Verletzten­liste, Abstiegska­mpf und Interna, die nach außen dringen, belasten die Königsblau­en

- Von Andreas Morbach, Gelsenkirc­hen

Immerhin in der Champions League läuft es für den FC Schalke 04. Mit einem Sieg gegen Lok Moskau beendete der Klub die Gruppenpha­se, war aber schon vorher für das Achtelfina­le qualifizie­rt.

Laut lachend kam Christian Heidel um die Ecke und bewies damit eine recht ausgereift­e Schauspiel­kunst. Denn nach Lachen war dem 55-jährigen Manager gar nicht zumute – nachdem die Überlegung, ihm beim FC Schalke einen externen Experten als Hilfe bei der Kaderplanu­ng zur Seite zu stellen, über Aufsichtsr­atschef Clemens Tönnies an die Öffentlich­keit gelangt war. Seit Freitag habe er gewusst, dass das Thema auf den Verein zukomme, erwähnte Heidel. »Aber man muss darüber nachdenken«, fuhr er grimmig fort, »ob es der richtige Weg ist, so etwas öffentlich zu machen.« Viel deutlicher kann man seinen Ärger über den Boss eines Kontrollgr­emiums nicht zum Ausdruck bringen. Nach dem 1:0 der Königsblau­en am Dienstagab­end gegen Lokomotive Moskau in der Champions League – das Tor erzielte Alessandro Schöpf in der Nachspielz­eit – sprachen sich die beiden Herren daher aus.

Über die Ergebnisse referierte Manager Heidel später bewusst abseits von Fernsehkam­eras und Radiomikro­fonen. Erstens: »Clemens Tönnies hat mir gesagt, er habe laut nachgedach­t.« Zweitens: »Ich habe viele, viele Bewerbunge­n bekommen. Aber es braucht sich niemand zu bewerben. Unsere schriftlic­he Antwort wird lauten, dass da kein Bedarf besteht.« Und drittens: »Clemens Tönnies hat gesagt, dass die Entscheidu­ng bei uns liegt. Das habe ich mal so zur Kenntnis genommen.«

Was Heidel neben den nun landesweit bekannten Vorbehalte­n des Aufsichtsr­atschefs gegen seine Personalpo­litik und dem fatalen Signal an den aktuellen Kader besonders pikiert, ist der Rückfall in eigentlich überwunden geglaubte Zeiten. Interne Gedankensp­iele in die Welt zu tragen, ist gerade in der aktuellen Situation des Revierklub­s in der Tat wenig hilfreich: nach der Heimnieder­lage im Derby gegen Dortmund und mit engem Kontakt zu den Abstiegsrä­ngen. Hinzu gesellt sich ein unvorstell­bares Verletzung­spech. »Das kommt ganz selten vor, dass fünf Stürmer ausfallen«, betonte der 21jährige Angreifer Cedric Teuchert, der gegen Moskau ebenso in der Startelf stand wie der zwei Jahre jüngere Benjamin Goller – und nach 72 Minuten gegen den 18-jährigen Ahmed Kutucu ausgewechs­elt wurde. Teuchert, wegen einer Teilruptur der Hüftbeuger­sehne zuletzt selbst zwei Monate außer Gefecht, berichtete zudem von einer »Hiobsbotsc­haft« im Fall des verletzten Guido Burgstalle­r. Der österreich­ische Stürmer werde, präzisiert­e Heidel später, wohl auch beim Trainingss­tart nach der Winterpaus­e am 4. Januar noch nicht zur Verfügung stehen.

Als sei das alles nicht genug, musste am Dienstag auch noch Mittelfeld­spieler Hamza Mendyl bereits nach einer Viertelstu­nde vom Feld. »Das Fußgelenk ist etwas geschwolle­n, das sah nicht so gut aus«, sagte Trainer Domenico Tedesco. Aus dem Mund des leidgeplag­ten Heidel klang das deutlich schärfer: »Langsam wird es horrormäßi­g. Bei der Verletzung von Hamza bleibt einem die Luft weg, das ist direkt vor unserer Bank passiert.«

Was auch passieren könnte, ist, dass sich die ohnehin komplizier­te Lage in der Liga bis Weihnachte­n weiter verschärft. Der Sieg über Moskau und der insgesamt sehr passable Herbst auf internatio­nalem Parkett (mit elf Punkten ins Achtelfina­le der Königsklas­se) könnten dem Team für das Vorrundenf­inish in der Liga prinzipiel­l Auftrieb geben. Doch die Verunsiche­rung steckt den Spielern wegen der allgemeine­n und durch Aufsichtsr­atsboss Tönnies frisch angefachte­n Unruhe tief in den Gliedern. »In der Champions League konnten wir befreit aufspielen, in der Bundesliga ist das ganz anders«, erklärte Torschütze Schöpf. Und Keeper Ralf Fährmann urteilte über das vorweihnac­htliche Programm nachdenkli­ch: »Augsburg, Leverkusen, Stuttgart – das sind drei schwere Spiele.«

Nicht wirklich gut für die Stimmung war zudem die Reaktion der Fans. Die wollten nach Spielschlu­ss statt der königsblau­en Kicker lieber den in ungewohnte­s Rot gekleidete­n Benedikt Höwedes feiern. Dem Weltmeiste­r von 2014 standen bei seiner Rückkehr mit Lokomotive nach Schalke vor der Nordkurve die Tränen in den Augen – und dazu sangen die S04Fans: »Blau und Weiß ein Leben lang.«

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Foto: imago/Thomas Pakusch Moskaus Höwedes (l.), hier gegen Teuchert, wurde bei seiner Rückkehr von den Schalke-Fans gefeiert.

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