Von der Paketflut überrollt
Trotz Tausender zusätzlicher Saisonarbeitskräfte sind mehrere Millionen Päckchen und Pakete kaum zu schaffen
Hermes-Deutschland-Chef Olaf Schabirosky
Paketdienste haben ihr Personal für das Weihnachtsgeschäft kräftig aufgestockt. Allerdings wird die Suche nach neuen Fahrern immer schwerer, denn die Löhne sind zu niedrig und das Arbeitspensum ist zu hoch.
Der Branchenverband vermeldet einen neuen Rekord: 330 Millionen Sendungen könnten es dieses Jahr werden, die von Paketboten in der Weihnachtszeit ausgeliefert werden müssen. Die fünf großen Paketdienstleister in Deutschland haben daher ihr Personal kräftig aufgestockt, damit Geschenke rechtzeitig ankommen. Allein die Deutsche Post DHL holte 10 000 zusätzliche Kräfte. Hermes soll um etwa 6300 Mitarbeiter aufgestockt haben, DPD um 4000 und GLS um 3000. Lediglich UPS verzichtet auf die massive Einstellung von Saisonkräften und setzt stattdessen auf eigenes Personal, das vor den Feiertagen in Sortierung und Zustellung versetzt wird. Unter dem Strich wurden damit für das Weihnachtsgeschäft etwa 23 300 Jobs vorübergehend geschaffen. Bis mindestens Mitte Januar werden mehr Leute gebraucht. Denn nach den Feiertagen beginnt das Retourengeschäft.
Die Paketflut steigt, zugleich wird die Suche nach Fahrern schwerer, vor allem dort, wo die Löhne niedrig sind. »Teilweise wird gezielt abgeworben«, räumt Hermes-DeutschlandChef Olaf Schabirosky ein. Im Laufe des Jahres hätten sie dadurch etwa 1000 Fahrer verloren. Bei Hermes, zweitgrößter Paketdienst in Deutschland nach DHL, hat dadurch ein zaghaftes Umdenken begonnen. Statt die Zustellung weiter ausschließlich von Subunternehmern ausführen zu lassen, will Hermes künftig auch auf eigene Kräfte setzen. »Mittelfristig könnten zehn Prozent der insgesamt 10 000 Zusteller direkt bei Hermes angestellt werden«, wird Schabirosky in der »WirtschaftsWoche« zitiert. Die würden dann nach Branchentarif bezahlt. Die Mehrkosten sollen allerdings die Kunden tragen: Hermes kündigt an, die Preise für Pakete und für die Haustürzustellung anzuheben und begründet dies unter anderem damit, die Zusteller besser bezahlen zu wollen. Auch DPD will das Porto im nächsten Jahr erhöhen und nennt dafür diesen Grund.
Nachwuchsprobleme kennt aber auch Branchenführer DHL, der nach Tarif bezahlt und fast alle Pakete von eigenen Angestellten ausfahren lässt. Er überlegt daher, wie der Job mehr Spaß machen und dadurch attrakti- ver werden könnte. In einem Pilotprojekt an fünf Standorten testet DHL derzeit einen abwechslungsreicheren Job für Zusteller – und will im Falle eines Erfolgs 500 solcher Stellen schaffen. Die Beschäftigten könnten Pakete ausfahren, insbesondere zur Hochsaison, und bei Bedarf andere Tätigkeiten, etwa im Lager, übernehmen. So will DHL die Kapazitäten an eigenen Fahrern erhöhen.
So unterschiedlich Löhne und Verträge von Paketzustellern sind, eine Erfahrung teilen sie alle: Das Arbeitspensum ist zu hoch – auch das eine Folge der Unterbesetzung. Von 140 Paketen berichten Boten, die innerhalb von fünfeinhalb Stunden zugestellt werden müssen. Ein Zustellungsversuch ist Pflicht, aber in der Realität nicht zu schaffen, weshalb sich die Zusteller verschiedener Tricks bedienen, die fast jeder Kunde kennt. »Wenn ich drei Pakete in einem Haus habe, einer wohnt im Quergebäude, einer im Seitenflügel und einer im Vorderhaus, aber alle im fünften Stock – da bin ich nur zu einem hoch und hab ihm alle drei Pakete gegeben«, berichtet ein Zusteller anonym in einer Sendung des ZDF. Der Rest erhält anschließend nur die Benachrichtigungskarte im Briefkasten.
Dass es in der Sendeverfolgung dann stets heißt »Das Paket konnte nicht zugestellt werden«, obwohl sich der Empfänger zuhause befand, erzürnte in diesem Jahr immer wieder Kunden. So registrierte die Bundesnetzagentur 2018 einen deutlichen Anstieg der Beschwerden bei Briefund Paketzustellungen. Auch hier ist ein neuer Rekord zu vermelden: 10 000 Beschwerden wird es laut der Aufsichtsbehörde in diesem Jahr geben.
»Mittelfristig könnten zehn Prozent der insgesamt 10 000 Zusteller direkt bei Hermes angestellt werden.«