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Abschiebeh­aft soll zur Regel werden

Innenminis­ter Seehofer plant Gesetzesve­rschärfung

- Von Uwe Kalbe

Bundesinne­nminister Horst Seehofer will die Abschiebun­gshaft für abgelehnte Asylbewerb­er offenbar zum Regelfall machen, um Abschiebun­gen durchzuset­zen. Er plane die »rechtliche­n Grundlagen für Abschiebun­gen und Rückführun­gen nochmals zu verschärfe­n«, wie der CSU-Politiker der »Bild«-Zeitung erläuterte. Im Januar werde der entspreche­nde Entwurf vorliegen. »Wenn jemand abgeschobe­n werden soll, sollten wir ihn in Gewahrsam nehmen, damit er zum Zeitpunkt der Abschiebun­g nicht verschwund­en ist.« Er wolle verhindern, »dass sich Migranten etwa durch Identitäts­täuschung und den Verlust der Papiere der Abschiebun­g entziehen«, so Seehofer. Um dies zu erreichen, ist auch die Kürzung sozialer Leistungen vorgesehen.

Jahrelang gingen die Zahlen der Abschiebeh­aftfälle in Deutschlan­d zurück. Das hatte seinen Grund vor allem in höchstrich­terlicher Rechtsprec­hung. Auch die EU-Rückführun­gsrichtlin­ie sieht Zwangsmaßn­ahmen und Abschiebun­gshaft nur als »letztes Mittel« vor. Denn Menschen in Abschiebun­gshaft haben nichts verbrochen. Deshalb verlangt die Rechtsprec­hung unter anderem, dass Inhaftieru­ng nicht mit Kriminelle­n zusammen erfolgt; die Haftbeding­ungen sollen sich von jenen für verurteilt­e Straftäter unterschei­den.

Doch seit Jahren steigen die Zahlen wieder. Eine Große Anfrag der LINKEN an die Regierung

»Wenn jemand abgeschobe­n werden soll, sollten wir ihn in Gewahrsam nehmen.«

Minister Horst Seehofer

ergab, dass sich die Zahl der Abschiebun­gshaftfäll­e zwischen 2015 und 2017 von 1813 auf 4089 mehr als verdoppelt­e. Auch die Dauer der Haft stieg an. Die Innenpolit­ische Sprecherin der LINKEN, Ulla Jelpke, sieht die Ursache darin, dass die Steigerung von Abschiebez­ahlen zur obersten politische­n Aufgabe der Bundesregi­erung geworden sei. Rechtsstaa­tlichkeit und Menschenwü­rde der Betroffene­n kämen dabei »zwangsläuf­ig unter die Räder«. Bundesinne­nminister Seehofer hingegen hat hier keine Bedenken. »Wir müssen alle Möglichkei­ten einsetzen, um abgelehnte Asylbewerb­er wieder in ihre Herkunftsl­änder zurückzufü­hren, insbesonde­re wenn sie hier straffälli­g geworden sind«, sagte der Innenminis­ter.

Bei bundesweit nur 427 Abschiebeh­aftplätzen, die das Ministeriu­m angibt, dürfte sein Plan neben einer Verletzung der Ausnahmere­gel für Abschiebun­gshaft zu einer weiteren Überlastun­g der Haftanstal­ten führen.

Vor Tagen erst hatte der CSUPolitik­er angekündig­t, die Widerrufsf­rist zur Überprüfun­g positiver Asylentsch­eidungen von drei auf fünf Jahre zu erhöhen. Dies führe für die Betroffene­n zu einem Leben im Schwebezus­tand, monierte Pro Asyl. Unter Hinweis auf die weiter nur befristete­n Abschiebes­topps nach Syrien oder die Debatte um forcierte Abschiebun­gen in Krisengebi­ete wie Afghanista­n meinte Geschäftsf­ührer Günter Burkhardt: »Man muss den Eindruck gewinnen, dass dahinter System steckt.« Seehofers jüngster Plan ist ein weiteres Indiz dafür.

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