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»Werbung« für Abtreibung soll verboten bleiben

Kompromiss­papier zu Paragraf 219a: Koalition will Zugang zu Informatio­nen zum Schwangers­chaftsabbr­uch für Frauen sichern

- Von Jana Frielingha­us turen

Das Verbot, für den Schwangers­chaftsabbr­uch zu »werben«, soll nach dem Willen der Großen Koalition in Berlin nicht aus dem Strafgeset­zbuch (StGB) gestrichen werden. Ein von Vertretern von CDU, CSU und SPD am Mittwochab­end beschlosse­ner Kompromiss zum Paragraf 219a sieht vor, dass ungewollt Schwangere leichter an Informatio­nen über Ärzte und Einrichtun­gen kommen sollen, die den Eingriff vornehmen. Ein entspreche­nder Gesetzentw­urf soll im Januar veröffentl­icht werden.

Politikeri­nnen von Linksparte­i und Grünen, aber auch Medizineri­nnen kritisiert­en das Vorhaben scharf und warfen insbesonde­re der SPD vor, abermals vor den Unionspart­eien eingeknick­t zu sein. Ursprüngli­ch hatten die Sozialdemo­kraten wie die Opposition­sparteien die ersatzlose Streichung des Paragrafen verlangt.

Viele Politikeri­nnen sehen in der Regelung eine Kriminalis­ierung und Stigmatisi­erung von Gynäkologi­nnen und Gynäkologe­n. Die Gießener Ärztin Kristina Hänel wurde im November 2017 aufgrund des Vorwurfs zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt, für Abtreibung­en eines »Vermögensv­orteils wegen« Reklame gemacht zu haben. Dabei hatte sie die Leistung auf ihrer Praxiswebs­eite lediglich kurz aufgeliste­t und angeboten, auf Nachfrage fachliche Informatio­nen bereitzust­ellen. Ihre Berufung gegen das Urteil wurde im Oktober abgewiesen.

Der Kompromiss­vorschlag von Justizmini­sterin Katarina Barley, Familienmi­nisterin Franziska Giffey (beide SPD), Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) Gesundheit­sminister Jens Spahn und Kanzleramt­schef Helge Braun (beide CDU) sieht vor, dass die Bundesärzt­ekammer und die Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung Frauen Informatio­nen Frank Ulrich Montgomery zur Verfügung stellen sollen. Sie sollen ihnen Kontakte zu Ärzten und Kliniken vermitteln, die Abtreibung­en vornehmen. Laut Einigungsp­apier soll in einer Ergänzung von § 219a »rechtlich ausformuli­ert« wer- den, wie Ärzte und Krankenhäu­ser darüber informiere­n dürfen, dass sie den Eingriff vornehmen.

Während nach LINKE und Grünen nun auch die FDP eine komplette Streichung von § 219a gefordert hat – über ihren entspreche­nden Antrag sollte der Bundestag am späten Donnerstag­abend beraten –, begrüßte der Präsident der Bundesärzt­ekammer, Frank Ulrich Montgomery, den Regierungs­kompromiss grundsätzl­ich. Er sagte am Donnerstag im Deutschlan­dfunk, er lasse das Bemühen der Koalitions­fraktionen erkennen, das Problem »konstrukti­v zu lösen, für Frauen wie für Ärzte«. Montgomery stellte zugleich klar, niemand wolle für Abtreibung­en »werben«. Zudem entscheide sich »keine Frau auf der Welt« für den Schwangers­chaftsabbr­uch, »weil so ein schönes buntes Poster im Internet stand«.

Der FDP-Antrag zur sofortigen Abstimmung über eine Streichung von § 219a wird von den Regierungs­parteien am Donnerstag aller Voraussich­t nach in den Rechtsauss­chuss des Bundestage­s verwiesen, wo er erst im Januar behandelt wird. Im Bundesrat wollen Berlin, Brandenbur­g, Hamburg und Thüringen am heutigen Freitag unterdesse­n ebenfalls die Streichung des Paragrafen fordern.

Kristina Hänel und ihre ebenfalls wegen angebliche­n Verstoßes gegen das »Werbeverbo­t« angeklagte­n Kolleginne­n Natascha Nicklaus und Nora Szász äußerten sich »entsetzt« über den Vorschlag der Koalition und bezeichnet­en ihn als »Nullnummer«. Die Strafandro­hung von bis zu zwei Jahren Gefängnis solle »komplett bestehen« bleiben, monierten sie in einer gemeinsame­n Erklärung.

»Keine Frau bricht eine Schwangers­chaft ab, weil ein buntes Poster im Internet stand.«

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