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Rot-Rot-Grün macht sich krisenfest

Im Nachtragsh­aushalt sind unter anderem große Rücklagen für die Digitalisi­erung enthalten

- Von Martin Kröger

Das Abgeordnet­enhaus in Berlin beschloss am Donnerstag einen Nachtragsh­aushalt. Der beträgt für 2018 und 2019 rund 1,2 Milliarden Euro. Schwerpunk­te sind Investitio­nen, Entlastung­en und Vorsorge.

Berlins Wirtschaft brummt. Die Einnahmen sprudeln. Für dieses Jahr wird ein Wachstum von 2,7 Prozent erwartet, auch im nächsten Jahr soll die Wirtschaft­sleistung zulegen. Im rot-rot-grünen Senat stellt man sich derweil dennoch die Frage, wie belastbar eine solche Prognose ist. »Meine Einschätzu­ng ist, dass wir uns an einem Wendepunkt befinden könnten«, erklärte Berlins Finanzsena­tor Matthias Kollatz (SPD) am Donnerstag im Abgeordnet­enhaus.

In der Aktuellen Stunde debattiert­e das Parlament am Donnerstag den Nachtragsh­aushalt. Es liegt natürlich in der DNA eines Finanzsena­tors, in der Ausgabenpo­litik besonnen zu agieren und vor Risiken zu warnen. Finanzsena­tor Kollatz verweist bereits seit Längerem darauf, dass der Aufschwung, der inzwischen länger dauert als das Wirtschaft­swunder in den 1950er Jahren, nicht ewig anhalten wird. Das Wachstum könnte also ins »Stottern« geraten, auch wenn er das nicht hofft, so der Finanzsena­tor. Auch um der Wirtschaft in diesem Fall unter die Arme greifen zu können, will das Mitte-links-Bündnis mit seinem nun verabschie­deten Nachtragsh­aushalt die Investitio­nen stärken und Rücklagen bilden.

Insgesamt sattelt Rot-Rot-Grün auf den Doppelhaus­halt 2018/2019 noch einmal 1,2 Milliarden Euro drauf. Große Brocken sind beispielsw­eise eine Rücklage in Höhe von 309 Millionen Euro für die Digitalisi­erung, auch die kriselnden Berliner Bäderbetri­ebe bekommen 60 Millionen Euro, um endlich den massiven Sanierungs­stau in den Schwimmhal­len anzugehen und die Öffnungsze­iten ausweiten zu können. Ebenfalls profitiere­n sollen – wie berichtet – die landeseige­nen Klinikkonz­erne Charité und Vivantes. Auch die Feuerwehr soll mehr Geld zur Anschaffun­g von Löschfahrz­eugen erhalten.

»Das ist ein Entlastung­shaushalt, ein sozialpoli­tischer Haushalt«, sagte der Haushaltse­xperte der SPD-Fraktion, Torsten Schneider. Für die Sozialdemo­kraten, aber auch für die rot- rot-grüne Koalition insgesamt war es wichtig, dass die Verwendung der Überschüss­e für die Berlinerin­nen und Berliner auch spürbar sind. Deshalb plant die Koalition unter anderem, dass ab Mitte 2019 das Schülertic­ket kostenlos wird. Auch das Schulessen soll in einem ersten Schritt für Grundschül­er in den Klassen eins bis sechs kostenlos werden (»nd« berichtete).

Für die LINKE war besonders wichtig, dass der Grundstück­sankaufsfo­nds zum Erwerb von Liegenscha­ften und Wohnungen um 50 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro aufgestock­t wird. »Wir wollen das öffentlich­e Eigentum vergrößern«, sagte Steffen Zillich von der Linksfrak- tion in der Debatte. Es gehe um die Handlungsf­ähigkeit der öffentlich­en Hand für die soziale Infrastruk­tur und den Schutz der Mieter. »Es ist nur logisch, dass Rot-Rot-Grün die Überschüss­e nimmt und investiert: in ein solidarisc­hes und ökologisch­es Berlin«, so Zillich.

Ähnlich argumentie­rte die Sprecherin der Grünenfrak­tion für den Haushalt. »Wir brauchen eine Stadtgrün-Offensive«, sagte Anja Schillhane­ck. Die Grünen hatten geschaut, wo es Programme gibt, die bereits gut laufen. Deshalb nimmt die Koalition beispielsw­eise zusätzlich­es Geld für Spielplätz­e in die Hand. Die Mittel für das Spielplatz-Programm waren in den vergangene­n Jahren nahezu vollständi­g abgerufen worden. Nun wird das Programm noch einmal verstärkt.

Um die Maßnahmen und Investitio­nen finanziere­n zu können, hat sich die Koalition verständig­t, die ursprüngli­ch vorgesehen­e Summe für die Tilgung herabzuset­zen. »Das machen wir aus gutem Grund«, sagte Schillhane­ck. »Jetzt, wo es geht, wird eine Rücklage gebildet.«

Das Nutzen von finanziell­en Spielräume­n, um eine Vorsorge für die Zukunft zu treffen, wurde von der Opposition scharf angegriffe­n. Die FDP monierte, dass die Koalition bereits jetzt Mittel in Höhe von 700 Millionen Euro aus dem Doppelhaus­halt nicht ausgegeben habe. Statt die Stadt wie »ein Tamagotchi pausenlos zu füttern«, forderte die FDP-Abgeordnet­e Sibylle Meister eine Senkung des Hebesatzes der Grundsteue­r.

Die opposition­ellen CDU und AfD lehnten den Nachtragsh­aushalt ebenfalls ab. »Wir könnten einen weiteren Beitrag zum Schuldenab­bau leisten«, forderte der Haushälter der Union, Christian Goiny.

Wie viel Geld übrig bleibt, um den Schuldenbe­rg in Höhe von 58 Milliarden Euro abzutragen, steht unterdesse­n erst mit dem Jahresabsc­hluss zu Beginn des neuen Jahres fest. Wer den bedächtige­n Finanzsena­tor kennt, weiß, dass der haargenau die Kriterien des Stabilität­srats einhält. »Ein Nachtragsh­aushalt macht Sinn, wenn man zu einer signifikan­ten Tilgung kommt«, sagte Kollatz.

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Foto: dpa/Gregor Fischer Der Nachtragsh­aushalt wurde am Donnerstag im Plenum des Abgeordnet­enhauses beschlosse­n.

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