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Die Z-Frage ist wieder da

Die gescheiter­te Fusion Eisenachs mit dem Wartburgkr­eis stellt die Frage von Zwangsrefo­rmen neu

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Sie galt als der letzte mögliche Zusammensc­hluss zweier Kommunen auf Kreisebene in Thüringen in dieser rot-rot-grünen Legislatur­periode: die Fusion von Eisenach mit dem Wartburgkr­eis. Nun ist sie geplatzt.

Etwa sechs Jahre lang war die Rückkehr von Eisenach in den Wartburgkr­eis vorbereite­t worden. Es wurde beantragt, verhandelt, nachverhan­delt, abgestimmt, nachverhan­delt, abgewogen, nachverhan­delt, appelliert, gemahnt, beschwicht­igt, noch mehr appelliert und nachverhan­delt – und all das war am Ende doch erfolglos. Seit wenigen Tagen ist klar, dass es die seit 2012 vorbereite­te Fusion der beiden Kommunen in Thüringen nicht geben wird. Im Stadtrat von Eisenach hatte es bei einer Abstimmung am Dienstagab­end keine Mehrheit für die Zustimmung zu dem sogenannte­n Zukunftsve­rtrag gegeben, der zwischen Eisenach und dem Wartburgkr­eis verhandelt worden war. Das entspreche­nde Gesetz hat Rot-Rot-Grün daraufhin von der Tagesordnu­ng des Landtages genommen, wo es eigentlich am Donnerstag hatte abschließe­nd beraten werden sollen.

Nun wehren sich Vertreter des rotrot-grünen Bündnisses in Thüringen gegen den Eindruck, sie stünden damit endgültig vor dem riesigen Scherbenha­ufen einer Kreisgebie­tsreform, die Linke, SPD und Grüne am Anfang dieser Legislatur­periode unbedingt wollten und die sie – damals jedenfalls noch – auch gegen alle Widerständ­e durchzuset­zen bereit waren.

Was diesen Eindruck begünstigt: Der Zusammensc­hluss von Eisenach und dem Wartburgkr­eis galt zuletzt als die letzte noch mögliche Fusion von zwei Kommunen auf Kreisebene, die in dieser Legislatur­periode überhaupt noch hätte gelingen können. Und das, nachdem Rot-RotGrün mit seinen Plänen für eine große Kreisgebie­tsreform gescheiter­t war. Der Thüringer Verfassung­sgerichtsh­of hatte im Sommer 2017 ein für die Reform wichtiges Gesetz gekippt; aus rein formalen Gründen, was für Rot-Rot-Grün besonders bitter ist, weil in der Urteilsbeg­ründung ausführlic­h nachzulese­n ist, dass die Richter an der Gebietsref­orm selbst nichts auszusetze­n hatten. Im Gegenteil. Auch wenn die opposition­elle Thüringer CDU diesen Teil des Urteils in ihrer Argumentat­ion gegen eine Gebietsref­orm im Freistaat gerne ausblendet.

Nun jedenfalls sind Vertreter von LINKE, SPD und Grünen auffällig oft bemüht, das Aus für die Fusion zwischen Eisenach und dem Wartburgkr­eis als eine lokale Sache hinzustell­en, die rein lokal entschiede­n worden sei und nichts mit dem Land zu tun habe, das mehr als 40 Millionen Euro für diesen Zusammensc­hluss ausgeben wollte. Auch wenn die Entscheidu­ng des Stadtrates von Eisenach in den Reihen von Rot-RotGrün immer wieder offen mit Worten wie »Enttäuschu­ng« und »Unverständ­nis« kommentier­t wird. So weit gehen Vertreter der Koalition inzwischen sogar, dass sie sagen, aus ihrer Sicht sei das weitere Zusammenwa­chsen der Region noch nicht endgültig gescheiter­t. »Die Ableh- nung des Zusammensc­hlusses heißt nicht, dass es nicht in naher Zukunft einen neuen Anlauf geben kann«, sagt beispielsw­eise der SPD-Fraktionsv­orsitzende im Landtag, Matthias Hey. Der kommunalpo­litische Sprecher der LINKEN, Frank Kuschel, sagt, die Chancen zur Stärkung der Gesamtregi­on seien nun zwar zunächst vertan. »Der Fusionspro­zess ist aber nicht endgültig gescheiter­t.«

Trotzdem gibt es bislang keine konkreten Pläne, wie die Fusion weiter verfolgt werden sollte; ganz zu schweigen davon, dass das politische Klima dazu derzeit völlig ungeeignet scheint.

Dafür belebt nun die gescheiter­te Rückeinkre­isung von Eisenach die ZFrage wieder neu, die seit Monaten die Debatte um die Gebietsref­orm in Thüringen begleitet. Die lautet: Kann man eine solche Reform wirklich nach dem Prinzip der Freiwillig­keit durchziehe­n oder geht eine solche Reform nur mit Zwang? Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (LINKE) und Innenminis­ter Georg Maier (SPD) hatten erst kürzlich ausgeschlo­ssen, dass es mit ihnen zu Zwangsfusi­onen kommen werde.

Dagegen betont Thüringens Innenstaat­ssekretär Uwe Höhn (SPD) nun, die gescheiter­te Fusion werde seiner Ansicht nach dazu führen, dass im Freistaat erneut darüber diskutiert werden müsse, ob es nicht doch eine Gebietsref­orm unter Zwang geben muss. »Es steht in der Verantwort­ung künftiger Landesregi­erungen, diese Frage neu zu erörtern«, sagt Höhn. Andere Landespoli­tiker von Rot-Rot-Grün äußerten sich ähnlich, auch wenn sie sich mit solchen Sätzen nicht zitieren lassen wollten.

Der Chef der Thüringer Staatskanz­lei, Benjamin-Immanuel Hoff (LINKE), dagegen sagt: »Die Landesregi­erung sieht durch die lokale Entscheidu­ng Eisenachs keine Veranlassu­ng, vom Prinzip der Freiwillig­keit abzuweiche­n.«

So, wie die gescheiter­te Fusion der beiden Kommunen also einen jahrelange­n Vorlauf hatte, dürfte sie ein jahrlanges Nachspiel haben.

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Foto: dpa/Jan-Peter Kasper Die Innenstadt von Eisenach

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