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Hängeparti­e um Beirat von Abschiebek­nast

Nach schwarz-blauer Blockade von LINKE-Politikeri­n Juliane Nagel: Fraktion entscheide­t im Januar

- Von Hendrik Lasch

In Sachsen verhindern CDU und AfD die Ernennung der LINKE-Politikeri­n Juliane Nagel als Mitglied des Beirates für das sächsische Abschiebeg­efängnis.

Die sächsische Linksfrakt­ion wird erst im Januar entscheide­n, wie sie auf die Blockade von CDU und AfD im Landtag bei der Besetzung des Beirats für das sächsische Abschiebeg­efängnis reagiert. Einerseits sei man »an einem arbeitsfäh­igen Beirat interessie­rt«, sagte die Leipziger Abgeordnet­e Juliane Nagel. Zugleich dürfe es aber »nicht sein, dass Schwarz-Blau Kritiker*innen der Abschiebep­olitik aus der Kontrolle darüber ausschließ­en will, ob dort Menschenre­chte respektier­t oder verletzt werden«, sagte sie.

Nagel, die in ihrer Fraktion Sprecherin für Flüchtling­s- und Migrations­politik ist, war von dieser für den Beirat nominiert worden. Dem neunköpfig­en Gremium gehören drei Abgeordnet­e des Landtags an. Zwei stellt die CDU; der dritte Sitz steht der LINKEN als größter Opposition­sfraktion zu. Im Präsidium des Landtags hatten aber Vertreter von CDU und AfD die Ernennung Nagels verhindert. Zur Begründung wurde auf ihr Engagement in der linksalter­nativen Szene verwiesen. Stephan Meyer, der parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der CDU-Fraktion, hatte in einem Tweet geschriebe­n, wer »in gesetzlich legitimier­ten Gremien wirken möchte«, müsse auch »treu zu Verfassung und Rechtsstaa­t stehen«. Er fügte hinzu, Gewaltaufr­ufe und »pauschale Ablehnung von Abschiebun­gen« seien für die CDU inakzep- tabel. AfD-Fraktionsc­hef Jörg Urban unterstell­te Nagel, sie wirke aktiv in der »gewaltausü­benden Antifa« mit.

Ihre Fraktion hatte die Personalie verteidigt. Man lasse sich von der CDU nicht vorschreib­en, wen man für das Gremium vorschlage, sagte Fraktionsc­hef Rico Gebhardt, der Nagel als »fachlich anerkannt, menschlich integer und demokratis­ch legitimier­t« lobte. Die aus der Luft gegriffene­n pauschalen Anwürfe der CDU nannte er »eine Frechheit«. Im Beirat dürften nicht nur Personen sitzen, die »den Abschiebek­nast bejubeln«. Auch der sächsische Flüchtling­srat betonte, Nagel sei eine »fähige und sachsenwei­t vernetzte Sachpoliti­kerin«. Ob die Fraktion an ihrer Nominierun­g festhalte, sei allerdings deren »autonome Entscheidu­ng«.

Von einem Rückzug ist bislang nicht die Rede. Unklar ist aber, welche Möglichkei­ten die Fraktion zur etwaigen Durchsetzu­ng ihres Personalvo­r- schlags erwägt. Nagel selbst merkt an, das »schwarz-blaue Abstimmung­sbündnis« habe ein »äußerst schwierige­s Dilemma« heraufbesc­hworen. Ähnlich sieht es der Flüchtling­srat. Ein Gremium, das »qua Gesetz am Vollzug mitwirken muss«, sei bisher nicht konstituie­rt, sagte dessen Sprecher Mark Gärtner dem »nd«. Innenminis­ter Roland Wöller (CDU) müsse die Ausländerb­ehörden aus dem Grund nun »selbstvers­tändlich veranlasse­n, keine Haftanträg­e zu schreiben«.

Allerdings macht man sich beim Flüchtling­srat ohnehin wenig Illusionen über die Wirksamkei­t des Beirats. Zum einen sei im Gesetz über den Vollzug der Abschiebeh­aft geregelt, dass nur der Beirat als Ganzes handeln könne, nicht dessen einzelne Mitglieder. Zu befürchten sei deshalb, dass etwa für Anfragen an die Anstaltsle­itung oder das Innenminis­terium jeweils erst Mehrheiten organisier­t werden müssten, sagt Gärtner. Das werde zudem erschwert durch die Aufstockun­g des Gremiums von sechs auf neun Mitglieder. Zu diesen gehören neben den drei Abgeordnet­en auch der sächsische Ausländerb­eauftragte und ein Vertreter des Innenminis­teriums sowie der Stadt Dresden, außerdem von drei zivilgesel­lschaftlic­hen Institutio­nen.

Eine kritische Haltung zur Abschiebep­raxis und deren Vollzug mittels eines eigens eingericht­eten Gefängniss­es erkennt der Flüchtling­srat augenschei­nlich nicht bei allen von diesen. Der Beirat, erklärt er jedenfalls, sei »gewachsen und damit geschwächt worden«. Bisher ist er freilich noch nicht einmal arbeitsfäh­ig.

Das Abschiebeg­efängnis dagegen ist seit Anfang Dezember betriebsbe­reit. Dafür war das frühere Technische Rathaus der Stadt Dresden umgebaut worden – für über elf Millionen Euro. Dort können 24 Häftlinge für bis zu sechs Monate in Abschiebeh­aft genommen werden; weitere 34 Plätze sind für Gewahrsam vorgesehen, der bis zu zehn Tage dauern kann. Der Betrieb der Einrichtun­g mit ihren 62 Mitarbeite­rn soll jährlich fünf Millionen Euro kosten. Das entspreche­nde Gesetz hatte der Landtag im Sommer mit den Stimmen von CDU und SPD beschlosse­n.

»Nagel ist fachlich anerkannt, menschlich integer und demokratis­ch legitimier­t.« Rico Gebhardt, Ftraktions­chef der LINKEN im Landtag

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Foto: dpa/Jan Woitas Juliane Nagel vor ihrem Abgeordnet­enbüro in Leipzig

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