nd.DerTag

Unser Lehrer Dr. Jazz

- Von Christof Meueler

Aus dem Jazz kommt fast alles, was später wichtig wurde: Rhythm & Blues, Rock ’n’ Roll, Soul, Hip-Hop. Hier ein Merksatz, der sich reimt: »Jazz is the Teacher – Funk is the Preacher.« Das ist der Untertitel des Samplers »Soul of a Nation«, der schwarze Musik aus den USA präsentier­t, die zwischen 1968 und 1976 erschien – eine Zeitspanne, die von der Euphorie der Black Panther Party Ende der 60er Jahre bis zur Depression nach deren staatliche­r Verfolgung und Zerschlagu­ng reicht.

Der Begriff »Soul of a Nation« meint weniger schwarzen Nationalis­mus, den die Black Panther ja auch im Programm hatten, denn einen ganzen Kontinent als eine emanzipato­rische Fantasie: Afrika, das aus dem Kolonialis­mus emporgesti­egen war, stellte ein Symbol für besseres Leben und Befreiung dar. 1960 hatten 17 subsaharis­che afrikanisc­he Staaten ihre Unabhängig­keit erklärt. Die Bürgerrech­tsbewegung in den USA fühlte sich dadurch inspiriert: »Black Power« gegen rassistisc­he Unterdrück­ung.

Hier war wieder der Jazz entscheide­nd. Seine Musiker wollten nicht mehr nur als Entertaine­r gelten, sondern definierte­n sich als Künstler – mit einem betont »afrozentri­stischen Ansatz«, der auch auf Literatur, Film und Kunst ausstrahlt­e. Schon zu Beginn der 60er Jahre hatten John Coltrane und Ornette Coleman die Formen des Jazz erneuert. Beide spielten Saxofon – freier und ekstatisch­er. Parallel machten die Drummer Art Blakey und Max Roach ihr Instrument mächtiger und vielseitig­er. Percussion wurde relevanter. Plattenbau

Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

Was aus diesem künstleris­chen Aufbuch resultiert­e, kann man auf dem Sampler »Soul of a Nation« hören. Das beste Stück ist gleich das erste: »Theme de Yoyo« vom Art Ensemble of Chicago aus dem Jahr 1970. Ein neunminüti­ges Funkjazzst­ück mit psychedeli­schem Einschlag, in das die Soulsänger­in Fontella Bass hineinsing­t, so wie 20 Jahre später die House-Tracks Vocals bekamen, um nicht auseinande­rzufallen. In Richtung Disco geht auch der Afro-Salsa-Funk der Pharaohs von 1973, deren Bläser nach der Bandauflös­ung dann zu Earth, Wind & Fire gingen. Das bekanntest­e Lied ist »Hard Times« von Baby Huey. 1971 produziert von Curtis Mayfield, wurde es später im Hip-Hop gesampelt, beispielsw­eise von Ice Cube oder A Tribe Called Quest.

Manche Songs klingen sehr nach Fusion, dem schlimmen Jazzrockge­gniedel der mittleren 70er Jahre, andere nach Trailern für TVSerien, die man schon vergessen hat. Es gibt aber auch mit den ersten Spoken-Word-Aufnahmen von Sarah Webster Fabio und Gil ScottHeron den Spiegel des Kommenden: Ihr Proto-Rap kündigt Mitte der 70er Jahre Hip-Hop als die nächste – leider nur – musikalisc­he Revolution an, die dann tatsächlic­h zu einer Musik der Massen wurde.

Various Artists: »Soul of a Nation. Jazz is the Preacher. Funk is the Preacher« (Soul Jazz Records)

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