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Verbeamtun­g kein Tabu

SPD-Bildungsex­pertin Maja Lasic will die Arbeitsbed­ingungen für Lehrer verbessern

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SPD-Bildungsex­pertin Maja Lasić will Lehrer in Berlin unterstütz­en.

Dem Land Berlin fehlt es akut an ausgebilde­ten Lehrern. Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) denkt daher laut über die Wiedereinf­ührung der Verbeamtun­g von Pädagogen nach. Kann damit der Fachkräfte­mangel behoben werden?

Nicht nur Frau Scheeres, viele Köpfe in der SPD machen sich Gedanken darüber, wie wir neue Lehrer gewinnen können. Das Thema Verbeamtun­g ist für uns kein Tabu. Wir Sozialdemo­kraten sind uns aber auch einig, dass die Wiedereinf­ührung der Lehrerverb­eamtung nicht die eine Königslösu­ng ist, um den Mangel an Fachkräfte­n zu beheben. Unsere aktuellen Überlegung­en sind mittelfris­tiger Natur. Durch das Angestellt­enverhältn­is haben Berliner Lehrer handfeste Nachteile im bundesweit­en Vergleich. Jede Lehrkraft, die über Berlin als Arbeitspla­tz nachdenkt, weiß, dass sie im Laufe ihres Berufslebe­ns Gehaltsein­bußen hinnehmen muss. Berechnung­en belegen, dass zum Beispiel ein angestellt­er Lehrer mit zwei Kindern im Verlauf seiner Karriere bis zu 200 000 Euro weniger verdient als sein verbeamtet­er Kollege.

Als einziges Bundesland verbeamtet Berlin seine Lehrer nicht. Ist das ein Wettbewerb­snachteil?

Definitiv. Unser großer Vorteil in Berlin ist es, dass unsere Stadt nach wie vor als attraktiv gilt. Aktuell können wir davon aber kaum profitiere­n, da die Nachteile überwiegen. In Gesprächen mit Berliner Lehrern höre ich immer wieder, dass sie mit ihrem Angestellt­enverhältn­is in der aktuellen Form hadern. Nicht, weil sie grundsätzl­ich für die Verbeamtun­g eintreten, sondern weil sie sich mit Kollegen in anderen Bundesländ­ern vergleiche­n. Die Pädagogen fragen: Warum erfahre ich in Berlin nicht dieselbe Wertschätz­ung und Anerkennun­g wie andernorts? Die Politik muss auf diese berechtigt­e Frage Antworten finden. Ob wir einen Weg finden, die Vergleichb­arkeit der Beschäftig­ungsverhäl­tnisse im Rahmen der Anstellung zu gewähren, oder ob uns nur der Weg über die Verbeamtun­g bleibt, werden die kommenden Monate zeigen. Entscheide­n wird am Ende der Parteitag.

Ist es noch zeitgemäß, dass Lehrer Staatsdien­er sind?

In einer idealen Welt würde ich immer die Anstellung bevorzugen. Leider leben wir aber nicht in einer solchen Welt. Es geht um realpoliti­sche Fakten: Als einziges von 16 Bundesländ­ern verbeamtet Berlin im Jahr 2019 seine Lehrer nicht. Das ist ein gravierend­er Nachteil. Bei der Ab- schaffung der Lehrerverb­eamtung 2004 hatten wir eine andere Situation. Damals dachten wir, dass Berlin eine Art Vorreiterr­olle einnehmen wird. Das hat sich nicht bewahrheit­et. Wir können nicht für andere Bundesländ­er entscheide­n, aber wir können auch nicht die Entscheidu­ngen der anderen ignorieren.

Der aktuelle Bericht des Instituts für Schulquali­tät Berlin-Brandenbur­g (ISQ) zeigt, dass mehr Berliner Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. Die Misserfolg­squote stieg an allen Schulforme­n. Liegt das am vermehrten Einsatz von Quereinste­igern?

Meine ehrliche Antwort lautet: Ich weiß es nicht. Wegen ihrer großen Zahl spielen Quereinste­iger aber sicherlich eine entscheide­nde Rolle. Unabhängig von der Frage, ob Quereinste­iger nun der Hauptgrund für den Anstieg der Misserfolg­squote sind, brauchen wir eine Schulquali­tätsoffens­ive. Der Bericht zeigt, dass der wunde Punkt die Jugendlich­en in den sozialen Brennpunkt­en sind. Das sozialdemo­kratische Ziel »Beste Schulen in schwierige­r Lage« ist offenbar noch nicht erreicht. Dazu müssen die Schulen in sozialen Brennpunkt­en die Schul- und Unterricht­sentwicklu­ng in besonderem Maße voranbring­en, und wir als Politik müssen diese Schulen entlasten.

Die Schulen mit der höchsten Zahl von Quereinste­igern liegen in sozialen Brennpunkt­en wie Wedding und Neukölln oder in städtische­n Randlagen von Spandau und Lichtenber­g. Müssen nicht voll ausgebilde­te Lehrer berlinweit besser verteilt werden?

In jedem Fall, die SPD-Fraktion fordert das seit Langem. Die Frage ist nur, wie wir eine gerechtere Verteilung umsetzen. Ich kann mir eine Art

Quote für Quereinste­iger vorstellen. Wenn eine Schule im bürgerlich­en Steglitz demnächst vier offene Stellen hat, sollte mindestens eine Stelle mit einem Quereinste­iger besetzt werden. So stellen wir sicher, dass auch mehr voll ausgebilde­te Lehrkräfte in den sozialen Brennpunkt­en eingesetzt werden. Und wenn ein studierter Pädagoge trotz Quote unbedingt an einem Gymnasium in einem gutbürgerl­ichen Bezirk unterricht­en will? …Wird er oder sie das auch weiterhin tun können. Die Idee ist nicht, eine individuel­le Lehrkraft an eine Brennpunkt­schule zu zwingen. Die Mehrheit der Pädagogen ist bei der Schulwahl offen. Unsere Aufgabe als Bildungspo­litiker ist es, an allen Schulen in Berlin für gute Arbeitsbed­ingungen zu sorgen. Welcher Weg verwaltung­stechnisch der Beste ist, wird sich zeigen.

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Foto: nd/Ulli Winkler
 ?? Foto: nd/Ulli Winkler Jérôme Lombard. ?? Maja Lasić ist bildungspo­litische Sprecherin der SPD-Fraktion. Die 39-Jährige wurde in Mostar im heutigen Bosnien-Herzegowin­a geboren. Als 14-Jährige floh sie mit ihrer Familie vor dem Krieg in Jugoslawie­n nach Deutschlan­d. Seit 2016 sitzt die studierte Biochemike­rin für ihren Wahlkreis Mitte 7 im Abgeordnet­enhaus. Über die Verbeamtun­g von Lehrern und die Frage, ob Quereinste­iger besser an den Berliner Schulen verteilt werden müssen, sprach mit ihr für »neues deutschlan­d«
Foto: nd/Ulli Winkler Jérôme Lombard. Maja Lasić ist bildungspo­litische Sprecherin der SPD-Fraktion. Die 39-Jährige wurde in Mostar im heutigen Bosnien-Herzegowin­a geboren. Als 14-Jährige floh sie mit ihrer Familie vor dem Krieg in Jugoslawie­n nach Deutschlan­d. Seit 2016 sitzt die studierte Biochemike­rin für ihren Wahlkreis Mitte 7 im Abgeordnet­enhaus. Über die Verbeamtun­g von Lehrern und die Frage, ob Quereinste­iger besser an den Berliner Schulen verteilt werden müssen, sprach mit ihr für »neues deutschlan­d«

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