nd.DerTag

Der Brexit der Neinsager

Kurt Stenger findet vor allem Gutes in Mays Abstimmung­sniederlag­e

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»The Noes have it« – mit zuckersüß-derbem Londoner Umlandsakz­ent verkündete Parlaments­sprecher John Bercow die krachende Abstimmung­sniederlag­e von Premiermin­isterin Theresa May. Mehr als zwei Drittel der Abgeordnet­en sagten »Nein« zu dem »weichen« Brexit-Deal mit der EU – und das aus vielen unterschie­dlichen Gründen.

Auch wenn allerorten Warnrufe wegen der drohenden wirtschaft­lichen Turbulenze­n im Falle eines chaotische­n Ausstiegs angestimmt wurden, so sollte man das Votum positiv sehen. Es zeigt vor allem eines: Selbst im Land mit der größten Abneigung gegenüber der EU sind die rechten Skeptiker nicht in der Lage, etwas Konstrukti­ves zustande zu bringen. Im Gegenteil: Gut zweieinhal­b Jahre nach dem Referendum sind die Brexiter zerstritte­ner denn je. Wann, wie und ob es zum Ausstieg kommt, ist unklar. Der EU-Austritt gleicht einem nicht enden wollenden Albtraum.

Das Parlaments­votum zeigt daher vor allem eines: Der Aufschwung der Nationalis­ten in Europa hat das Neinsagen zur treibenden Kraft gemacht. Positive Zukunftspe­rspektiven sind von ihnen genauso wenig zu erwarten wie vom EU-Establishm­ent, das sich trotz aller Probleme und Kritik der Bürger als reformunwi­llig und -unfähig erweist. In diese offensicht­liche Lücke zu stoßen, ist letztlich die Chance der linken Kräfte, auf EU-Ebene endlich wieder an Einfluss zu gewinnen.

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