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Imagekampa­gne statt Transparen­z

Regierungs­parteien bremsen Untersuchu­ngsausschu­ss zu von der Leyens Berateraff­äre

- Von René Heilig

Im Verteidigu­ngsausschu­ss krachte es. Die Koalitions­parteien und die AfD setzten einen Antrag zur Einsetzung eines Untersuchu­ngsausschu­sses zur Berateraff­äre ab. Verhindern können sie ihn nicht.

Dass die Bundeswehr als Katastroph­enhelferin in Bayern derzeit positive Schlagzeil­en macht, wird Ursula von der Leyen (CDU) kaum trösten. Denn die Problemlaw­ine, die derzeit auf die Verteidigu­ngsministe­rin zurast, lässt sich so nicht stoppen. Dem eigenen Image schaden kann da sogar ein Mann wie Abdul Hamid S. Der in dieser Woche als iranischer Spion verhaftete Deutsch-Afghane arbeitete immerhin bei einer stinkgehei­men Truppe, dem im rheinland-pfälzische­n Daun stationier­ten Bataillon Elektronis­che Kampfführu­ng. Die Cyberspezi­alisten belauschen gegnerisch­e Kommunikat­ion, stören sie und schützen die eigenen Verbindung­en daheim und in den Einsatzgeb­ieten.

Auch von anderer Seite scheint die Truppe infiltrier­t. Spätestens seit dem Auffliegen des Bundeswehr-Offiziers Franco A. im Februar 2017 weiß man, dass der Militärisc­he Abschirmdi­enst nicht in der Lage oder nicht Willens ist, Rechtsextr­emisten zu entlarven. Ob die von von der Leyen angeordnet­e Auskehr von Nazi-Devotional­ien und der neue Traditions­erlass zu einer Wiederbele­bung der Inneren Führung beitragen, ist ungewiss. Sorgen sollte auch bereiten, dass es zumindest ein rechtsauße­n-orientiert­es Netzwerk namens Uniter e.V. gibt, in dem aktive und ehemalige Soldaten vor allem aus Elitetrupp­en sowie Angehörige anderer »Sicherheit­s«behörden für den Tag X trainieren.

Jenseits solcher Gefährdung­en für den Rechtsstaa­t brachte von der Leyens Truppe jüngst Umweltschü­tzer, Anwohner und Touristen gegen sich auf. Trotz großer Trockenhei­t veranstalt­e man Anfang September gemeinsam mit der Industrie Schießübun­gen im Emsland. Der Moorbrand war erst gut fünf Wochen gelöscht, die Folgen für das Ökosystem sind unabsehbar.

Zweifelsoh­ne hat die Ministerin aus Bundeswehr­sicht einiges auf Dauer erreicht. Thema: Wehretat. Nicht erst – wie ursprüngli­ch vorgesehen – 2025, sondern bereits ein Jahr früher will die Bundesregi­erung einen Verteidigu­ngshaushal­t im Umfang von 1,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s vorlegen. Das wäre zwar noch immer 0,5 Prozent unter der Kennziffer, die US-Präsident Donald Trump den NATO-Staaten verordnet, doch der Zuwachs an Material, Ausrüstung, Munition und Betriebsst­offen ist spürbar. Auch beim Personal tut sich was. Ende 2018 hatte man 182 000 Frauen und Männer unter Vertrag. Dennoch gibt es bei der Marine oder den Cybertrupp­en erhebliche­n Mangel an geeignetem Personal.

Umso schwerer wiegen die Dauerprobl­eme im Bereich Beschaffun­g. Dass es auch in nachgeordn­eten Bereichen ein eklatantes Missmanage­ment gibt, belegt die aktuelle und gar nicht überrasche­nde Schelte des Bundesrech­nungshofes in Sachen »Gorch Fock«. Die Sanierung des Segelschul­schiffes läuft bereits drei Jahre, die Kosten stiegen von anfangs zehn auf mittlerwei­le 135 Millionen Euro.

Um das Chaos in den Griff zu bekommen und Personalpr­obleme einzudämme­n, hat von der Leyen für

dreistelli­ge Millionenb­eträge externe Berater engagiert. Die Opposition wittert nicht von ungefähr Vetternwir­tschaft. Sie glaubt, dass die Bundeswehr sich so abhängig macht von bestimmten Interessen­gruppen, und ist sich überdies sicher, dass es »zu Rechts- und Regelverst­ößen gekommen ist, die nicht nur einzelne Projekte, sondern strukturel­le Fragen sowie die Führungsst­rukturen im BMVg betreffen«.

So steht es im gemeinsame­n Antrag von FDP-, der Links- und der Grünenfrak­tion zur Einsetzung eines Untersuchu­ngsausschu­sses. Am Mittwoch sollte das geschehen, doch die Unionspart­eien, die SPD und die AfD haben den Antrag zur Prüfung von Formulieru­ngen an den Geschäftso­rdnungsaus­schuss verwiesen. »Dies ist kein guter Start!«, kritisiert­e LINKE-Obmann Alexander Neu. Seine FDP-Kollegin Marie-Agnes StrackZimm­ermann hat wie andere Opposition­elle den Eindruck: »Das Transparen­zversprech­en von Ministerin von der Leyen scheint wertlos zu sein.«

Wie wertvoll so ein Untersuchu­ngsgremium überhaupt sein kann, ist ohnehin fraglich. Der Verteidigu­ngsausschu­ss kann sich als einziger Ausschuss selbst als Untersuchu­ngsausschu­ss einsetzen. Zudem ist der Grad der Geheimhalt­ungsmöglic­hkeiten immens. Auch das verabredet­e Untersuchu­ngsende im August lässt keine übermäßig ertragreic­he Beantwortu­ng der von der Opposition aufgeliste­ten 15 Fragen erwarten.

Derweil hat man sich im Ministeriu­m erinnert, dass Angriff manchmal die beste Verteidigu­ng ist. Dazu wurde ARD-Tagesschau-Kollege Christian Thiels – ein echter Kenner der Truppe und ihrer jeweiligen ministerie­llen Leitung – als Chefredakt­eur der Redaktion Bundeswehr eingekauft. Ein Knochenjob, denn er wird auch für eine erhoffte Imageerneu­erung der Ministerin verantwort­lich sein.

»Das Transparen­zversprech­en von Ministerin von der Leyen scheint wertlos zu sein.« Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP)

 ?? Foto: dpa/Matthias Balk ?? Ursula von der Leyen gut geschützt in einem Kettenfahr­zeug. Sie hofft, auch den Untersuchu­ngsausschu­ss unbeschade­t zu überstehen.
Foto: dpa/Matthias Balk Ursula von der Leyen gut geschützt in einem Kettenfahr­zeug. Sie hofft, auch den Untersuchu­ngsausschu­ss unbeschade­t zu überstehen.

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