Einen Bluthund an den Hacken
Markus Drescher über die SPD und die Frage der Verantwortung
Bluthund, der. Substantiv, maskulin. Bedeutungsübersicht: Hund einer englischen Hunderasse mit ausgeprägtem Spürsinn. Synonyme: Bestie, Tier, Unmensch. So gibt es der Duden an. Und so lässt sich damit ziemlich gut ein Problem der SPD skizzieren:
Das Problem heißt Gustav Noske, Beiname Bluthund, für mittlerweile viele Generationen Sozialisten und Kommunisten ein Unmensch, verantwortlich für die Niederschlagung des Spartakusaufstands – und letztlich auch für die Tötung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht? 100 Jahre nach den Morden an den Sozialistenführern bestehen daran eigentlich keine Zweifel mehr. Zum Jahrestag der Ermordung am 15. Januar wäre es nun (allerspätestens) an der Zeit gewesen, dass die SPD ihre Vergangenheit an- und Verantwortung übernimmt. Verantwortung vor allem auch für ihre eigene Glaubwürdigkeit und Zukunft. Dinge, von denen man derzeit nicht sagen kann, die Sozialdemokraten besäßen davon im Überfluss.
Der Regisseur, Sozialwissenschaftler und zum Jubiläum gern gefragte Autor mehrerer Bücher über die Geschehnisse 1918/19, Klaus Gietinger, erklärte gegenüber der »Frankfurter Rundschau«: »Die SPD muss ihre Leichen im Keller mal aufräumen. Die Partei will sich ja erneuern, das finde ich auch gut. Dazu gehört auch zu sagen: Was damals mit Luxemburg und Liebknecht geschah, war Unrecht. Und die SPD trägt dafür Verantwortung.«
Tatsächlich bestand zum Zeitpunkt des Interviews noch Hoffnung darauf, hatte sich Parteichefin Andrea Nahles zuvor doch zu der Aussage durchringen könnte, Noske habe bei der Ermordung wahrscheinlich seine Finger im Spiel gehabt. Eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte. Wenige Tage vor dem Jahrestag meldete der »Spiegel«, Nahles lehne die Forderung Gietingers und anderer linker Intellektueller ab.
Wolfgang Thierse, ehemaliger DDR-Bürgerrechtler, einstiger Bundestagspräsident und mithin so etwas wie ein moralisches Aushängeschild der SPD, offenbarte nun in einem Interview, wie schlimm es of- fenbar tatsächlich um die historischen Aufräumarbeiten bestellt ist. Gegenüber den »Dresdner Neuesten Nachrichten« erklärte er: »Es gab radikalisierte Elemente in der Arbeiterschaft. Die waren nun mit Waffengewalt zu besiegen. Das bleibt ein schmerzlicher Vorgang, auch im Rückblick, aber man kann doch wissen, dass der Weg, der dann eingeschlagen wurde, der bessere war.« Wie anders soll man das interpretieren, als eine Rechtfertigung für Mord und Totschlag im Namen eines höheren Ziels? So schafft man keine Leichen aus dem Keller, sondern stapelt neue dazu. Und die stinken. Die Verantwortung hat damit wenigstens leichtes Spiel den Sozialdemokraten auf den Fersen zu bleiben – wie ein Bluthund.