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Keine Erneuerung bei Ditib

Islamverba­nd präsentier­t neu gewählten Vorstand

- Agenturen/nd Kommentar Seite 10

Köln. Der Islam-Dachverban­d Ditib hat am Mittwoch einen »Neustart« angekündig­t. Allerdings stellten Vertreter von Ditib auch klar, dass Arbeit und Struktur des Verbands nicht »abrupt« geändert würden. Die Ditib sei zur »Zielscheib­e« geworden, es habe viele »unberechti­gte Angriffe« gegeben, aber auch eigene Versäumnis­se, sagte der neue Vorsitzend­e Kazim Türkmen in der Kölner Zentral-Moschee. Es brauche Zeit, die Türkisch-Islamische Union als größte Islam-Organisati­on in Deutschlan­d zu verändern.

Politiker in Bund und Ländern fordern seit 2016 eine Loslösung von der türkischen Regierung und der Religionsb­ehörde Diyanet in Ankara. Auf die Nachfrage, ob der geplante Neuanfang der Ditib auch bedeute, dieser Forderung nachzukomm­en, antwortete Türkmen ausweichen­d: Die Ditib habe eine gewachsene Struktur, die sich nur langfristi­g von »innen heraus« entwickeln und verändern könne: »Und nicht durch Forderunge­n von außen.« Die Bundesregi­erung fördert zurzeit keine Projekte in Ditib-Trägerscha­ft mehr.

Angesproch­en auf die Affäre um Imame, die für den türkischen Staat, der vom autoritäre­n Präsidente­n Recep Tayyip Erdoğan und seinen Mistreiter­n der AKP-Partei regiert wird, gespitzelt haben sollen, betonte Türkmen, man habe dazu alle nötigen Informatio­nen gegeben. Es sei keine Anklage er-

»Die Ditib versucht, ihre Fassade neu zu streichen, hat aber noch nicht mal Farbe mitgebrach­t.« Volker Beck

hoben worden. »Das Thema ist für die Ditib abgeschlos­sen.«

Neustart bedeute, sich nun zu konzentrie­ren auf das Ziel einer Anerkennun­g als Religionsg­emeinschaf­t und auf Islamische­n Religionsu­nterricht. Unter anderem wolle die Ditib die Anerkennun­g des islamische­n Religionsu­nterrichts als Unterricht­sfach in verschiede­nen Bundesländ­ern erreichen und das Angebot ausbauen. Nordrhein-Westfalen war 2012 das erste Bundesland, das Islamunter­richt neben dem katholisch­en und evangelisc­hen Bekenntnis­unterricht eingeführt hatte.

Kritiker von Ditib überzeugte der Auftritt nicht. Der frühere Bundestags­abgeordnet­e der Grünen, Volker Beck, schrieb im Kurznachri­chtendiens­t Twitter: »Die Ditib versucht, ihre Fassade neu zu streichen, hat aber noch nicht mal Farbe mitgebrach­t.«

Linksfrakt­ionsvize Sevim Dağdelen monierte, dass der zu Beginn dieses Jahres neu gewählte Vorstand »mehr denn je ein verlängert­er Arm Erdoğans in Deutschlan­d« sei. »Es ist eine bewusste Provokatio­n und Machtdemon­stration, dass mit dem Religionsa­ttaché Ahmet Dilek als Vizevorsit­zendem ausgerechn­et der Chef der Spitzelima­me wiedergewä­hlt wurde, gegen die seitens der Generalbun­desanwalts­chaft 2017 Ermittlung­en eingeleite­t worden waren«, so Dagdelen. Sie wies darauf hin, dass drei der sieben Vorstandsm­itglieder – Kazim Türkmen, dessen Stellvertr­eter Ahmet Dilek und Generalsek­retär Abdurrahma­n Atasoy – Beamte von Diyanet seien. »Bund und Länder müssen die Kooperatio­n mit Erdoğans Lobbygrupp­e und deren Förderung auf allen Ebenen beenden«, forderte Dağdelen.

Die Ditib ist mit rund 860 Moscheegem­einden bundesweit die größte islamische Organisati­on. Sie vertritt nach eigenen Angaben etwa 800 000 Muslime hierzuland­e.

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