Ein Druckmittel gegen die EU
Serbien vertieft die Wirtschaftsbeziehungen mit Russland
Serbien und die Eurasische Wirtschaftsunion wollen ein Freihandelsabkommen unterzeichnen. Damit hofft Belgrad, die eigene Position gegenüber der EU zu stärken.
Diplomaten rangen noch um die letzten Details, als in Belgrad bereits der Morgen graute. Über 20 strategische Abkommen wollen Serbien und Russland am Donnerstag in Anwesenheit beider Staatschefs unterzeichnen. Es ist schon das dritte Treffen Wladimir Putins mit Amtskollege Aleksandar Vučić.
Wichtigster Programmpunkt: Die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens mit der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), Moskaus Gegenentwurf zur Europäischen Union, dem bisher jedoch nur die prorussischen Ex-Sowjetrepubliken Weißrussland, Armenien, Kasachstan und Kirgistan angehören.
Der Deal, warnt Makroökonom Saša Dogović, werfe Serbiens Bemühungen um EU-Mitgliedschaft um Jahre zurück. Auch sei die EAWU nur eine Zollunion und habe, anders als die EU, weder Ambitionen noch Ressourcen, die nachhaltige Entwicklung ihrer Mitglieder zu bezuschussen.
Nach Ansicht von Dejan Delić, Vorstand der russisch-serbischen Wirtschaftskammer, bedeute der Beitritt zur Eurasischen Wirtschaftsunion zollfreien Zugang zu einem Markt mit 183 Millionen Verbrauchern und sei deshalb für Serbien »extrem vorteilhaft«. Kritische Experten wie Dogović sehen das anders. Schon jetzt würden bilaterale Handelsabkommen mit den Mitgliedern der Eurasischen Wirtschaftsunion zu 99 Prozent zollfreien Austausch von Waren und Dienstleistungen ermöglichen.
Dazu kommt: Russland ist nur noch der fünftgrößte Handelspartner Serbiens. Belgrad schloss sich 2014 den Sanktionen nicht an, die die EU und die USA auf dem Höherpunkt der Ukraine-Krise gegen Moskau verhängten. Serbiens Landwirte profitierten von dem russischen Einfuhr- stopp für westliche Lebensmittel. Doch speziell in der Landwirtschaft zeigt die russische Strategie zur Importsubstitution bereits erste Erfolge. Statt serbischer Lebensmittel liegen inzwischen vermehrt südrussische Tomaten und Pfirsiche in den Regalen Moskauer Supermärkte.
Serbiens Deal mit der Eurasischen Wirtschaftsunion, glaubt Dogović, sei daher politisch motiviert und als Druckmittel gegenüber der EU gedacht. Unter dessen Ägide verhandeln Serbien und das Kosovo seit Jahren über die Normalisierung ihrer Beziehungen. EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini, rügt Präsident Vučić, verlange vor allem von Belgrad Zugeständnisse. Auch scheinen die Kosovo-Albaner derzeit weniger denn je zu Konzessionen bereit. Denn sie wissen die USA hinter sich. Ausdrücklich begrüßte US-Präsident Donald Trump die von der Ko- sovo-Regierung beschlossene Umwandlung der Sicherheitskräfte in eine reguläre Armee. Die EU dagegen fürchtet, dadurch könnte der eingefrorene Konflikt mit Serbien erneut eskalieren. Er ist der eigentliche Grund für Serbiens Deal mit der Eurasischen Wirtschaftsunion wie für dessen militärische Neutralität. Denn Moskau steht in der Kosovo-Frage fest zu Belgrad.
Serbiens Integration in westliche oder pro-russische Strukturen ist jedoch entscheidend für den Ausgang des Machtgerangels der Global Player auf dem Balkan. Die EU weiß das so gut wie Vučić. Der versucht daher, sich alle Optionen so lange als möglich offen zu halten.
Immerhin eröffneten Belgrad und Brüssel im Herbst – just als die Verhandlungen mit der Eurasischen Wirtschaftsunion in die Endphase gingen – gleich mehrere neue Kapitel für die EU-Beitrittsverhandlungen. Kapitel 31 gehört allerdings nicht dazu. Dort geht es um die Harmonisierung der Außenpolitik. Streitpunkt ist vor allem der Umgang mit Russland. Vučić hat keine Eile. Er glaubt, die Zeit werde für ihn arbeiten, der Westen seine harte Linie Moskau gegenüber aufgeben. Serbien könnte dann auch als EU-Mitglied die alte Freundschaft mit Russland pflegen.
Serbiens Integration in westliche oder prorussische Strukturen ist entscheidend für den Ausgang des Machtgerangels der Global Player auf dem Balkan.