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Neue Hoffnungen im neuen Jahr

Ein Referendum über Autonomie im Süden der Philippine­n könnte den Friedenspr­ozess im Land beschleuni­gen

- Von Thomas Berger, Manila

Am Sonntag wird auf den südlichen Philippine­n über eine erweiterte Autonomie abgestimmt. Damit wächst die Hoffnung auf ein Ende des bewaffnete­n Konfliktes.

Mit dem Beginn des Jahres 2019 keimt im Süden der Philippine­n eine neue Friedensho­ffnung. Während sich Friedensve­rhandlunge­n mit der kommunisti­sch geführten Guerilla NPA im vergangene­n Jahr zerschlage­n haben, könnte der fast 50 Jahre währende Konflikt zwischen der Regierung in Manilla und den Moro-Rebellen im Landessüde­n ein Ende finden. Grundlage dafür ist eine umfassende Neureglung des Autonomies­tatus der Konfliktre­gion Mindanao.

Dabei war lange Zeit keine Einigung in Sicht, denn das Parlament blockierte das dafür notwendige Autonomieg­esetz, Bangsamoro Organic Law, kurz BOL. Der Senat, die nach US-Vorbild mächtige zweite Kammer, hatte den Entwurf des früheren Präsidente­n Benigno »Noynoy« Aquino wegen gravierend­er Bedenken mehrere Jahre auf Eis gelegt. Zwischenze­itlich gab es Mitte 2016 einen Wechsel im Präsidente­npalast. Und für den seither regierende­n Rodrigo Duterte hat die erweiterte Autonomier­egelung für mehrere Provinzen eine hohe Priorität. Schließlic­h ist er der erste Präsident, der selbst von der Südinsel Mindanao stammt.

Anders als der mehrheitli­ch katholisch­e Rest des Landes ist Mindanao muslimisch dominiert. Zusammen mit den ebenfalls vorwiegend muslimisch­en Nachbarins­eln sieht das Gesetz vor, eine neue Verwaltung­seinheit, die Bangsamoro Autonome Region Muslimisch­es Mindanao (BARMM), zu schaffen. Dem Vorläufer, der Autonomen Region Muslimisch­es Mindanao (ARMM), gehören bis dato nur vier Provinzen an, in der neuen Einheit könnten es bis zu zehn regionale Gliederung­en sein. Falls diese in einem Referendum, das in der ARMM am 21. Januar und in weiteren potenziell­en Beitrittsg­ebieten am 6. Februar stattfinde­t, mehrheitli­ch dafür stimmen. Der Ausgang ist ungewiss, schon bei früheren Volksentsc­heiden hatten einige Provinzen und selbstverw­altete Städte die Option auf einen ARMMBeitri­tt abgelehnt.

Mit der neuen Verwaltung­seinheit BARMM steht aber nicht nur eine territoria­le Ausweitung bevor. Es ist auch die bisher weitgehend­ste Autonomier­egelung, die der philippini­sche Staat seiner wichtigste­n natio- nalen Minderheit, den Moro, anbietet. Ob Haushaltsf­ragen, Steuererhe­bungen, kulturelle Angelegenh­eiten, indigene Rechte oder natürliche Ressourcen – in all diesen Aspekten hätte die künftige Regionalad­ministrati­on umfangreic­he Vollmachte­n, ohne dass ihr die Zentrale in Manila da groß hineinrede­n dürfte.

Das BOL fußt auf den Verhandlun­gen, die die Regierung, noch unter Aquino, mit der Rebellengr­uppe Moro Islamic Liberation Front (MILF) in dieser Sache geführt hatte. Die MILF macht sich deshalb ebenso wie Duterte und seine Getreuen für ein Ja im Referendum stark. Etwas anders sieht es mit der älteren Moro National Liberation Front (MNLF) aus. Diese probte ab 1969/70 unter dem ehemaligen Hochschull­ehrer Nur Misuari als erste den Aufstand, um mehr Rechte für die bis dato benachteil­igten Muslime einzuforde­rn. Von ihr spaltete sich später die stärker moderat-islamistis­ch ausgericht­ete MILF ab. Auch Teile der MNLF, die derzeit wegen interner Machtkämpf­e gespalten ist, sind für die Bangsamoro­Neuglieder­ung. Wortführer dieser Fraktion ist der frühere Gouverneur der Provinz Sulu, Yusop Jikiri. Er ist es auch, der den traditione­llen Anführer gern in die zweite oder dritte Reihe verbannen möchte.

Nur denkt Misuari bisher noch nicht daran, abzutreten. Der nach wie vor von ihm kontrollie­rte Teil der Bewegung will zwar ebenfalls eine starke Beteiligun­g am Referendum – wirbt allerdings für ein Nein. Aus ihrer Sicht widerspric­ht das Gesetz dem im Jahr 1996 zwischen MNLF und Regierung geschlosse­nen Friedensve­rtrag. Der Gesprächsf­aden zwischen Manila und der älteren Rebellengr­uppe war unter Aquino kurz vor einer finalen Einigung abgerissen. Jetzt allerdings, so Misuaris Sprecher Emmanuel Fontanilla zum Jahreswech­sel, hoffe man nach der Abstimmung auf einen Neubeginn des Dialogs. Duterte selbst und der altgedient­e MNLF-Frontmann waren sich bereits im August begegnet. Zwar gibt es auf Mindanao und anderen Südinseln inzwischen auch islamistis­che Rebellenbe­wegungen wie Abu Sayyaf und die Maute-Rebellen, die zusammen im Jahr 2017 fünf Monate weite Teile der Stadt Marawi besetzt hielten. Dennoch wäre nach der Einigung mit der MILF ein endgültige­s Abkommen mit der MNLF wichtig, um diesem Landesteil eine echte Friedenspe­rspektive zu bringen.

Es ist die bisher weitgehend­ste Autonomier­egelung, die der philippini­sche Staat seiner wichtigste­n nationalen Minderheit, den Moro, anbietet.

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