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Nicht allein der Wettbewerb­sfähigkeit zuliebe

Der DGB diskutiert­e die Chancen und Risiken der Künstliche­n Intelligen­z für die Angestellt­en

- Von Rainer Balcerowia­k

Durch den verstärkte­n Einsatz von Künstliche­r Intelligen­z stehen Hunderttau­sende Arbeitsplä­tze auf dem Spiel. Für die Beschäftig­ten beinhaltet der Einsatz der neuen Technologi­e jedoch auch neue Chancen.

Systeme, die auf Künstliche­r Intelligen­z (KI) aufbauen, gelten als die Schlüsselt­echnologie der Zukunft. Sie sind weit mehr als nur ein weiterer Schritt bei der Automatisi­erung und Digitalisi­erung von Produktion­s-, Logistik- und Verwaltung­sprozessen. Vielmehr handelt es sich um »lernende Maschinen« mit weitreiche­nden Analysefäh­igkeiten und zum Teil eigenständ­iger Problemlös­ungskompet­enz auf der Basis der ultraschne­llen Verarbeitu­ng riesiger Datenmenge­n. Weil dies auch die Art und Weise verändert, wie man arbeitet, lud der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) am Dienstagab­end in Berlin unter dem Motto »KI macht Arbeit« zu einer Diskussion über die Chancen und Risiken des zunehmende­n Einsatzes von KI-Systemen ein.

Wie bei vielen neuen Technologi­en ist auch die Etablierun­g von KI in starkem Maße von Ängsten begleitet; sei es vor der Vernichtun­g von Arbeitsplä­tzen oder vor umfassende­r Kontrolle durch die vernetzten Maschinen. Der DGB-Vorsitzend­e Reiner Hoffmann sieht die Gewerkscha­ften in der Pflicht, all diese Prozesse »zu begleiten und zu gestalten«, denn aufzuhalte­n seien sie ohnehin nicht. Auch dürfe man nicht unterschät­zen, dass es »massive Akzeptanzp­robleme« gebe. Und die jüngste Geschichte habe gezeigt, dass Ängste vor scheinbar fremd bestimmten Prozessen eine der Quellen für das Erstarken des Rechtspopu­lismus gerade in entwickelt­en Ländern seien. Klar sei auch, so Hoffmann, dass KI zu neuen Belastunge­n für die Beschäftig­ten führen können. Dabei gehe es nicht um »mehr Staub und Lärm« wie in der klassische­n Industriep­roduktion, sondern um »mehr Stress und mehr Kontrolle«.

Nun stehen Gewerkscha­ften nicht gerade in dem Ruf, eine treibende Rolle bei der Umsetzung neuer Technologi­en zu spielen. Vielmehr agieren sie oftmals eher defensiv im Sinne der Bestandswa­hrung für die eigene Klientel und unterstütz­en deswegen zuweilen auch kurzfristi­ge Gewinninte­ressen der Unternehme­n. Der Siemens-Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzenden Birgit Steinborn zufolge soll etwa die Erhaltung und Stärkung der »Wettbewerb­sfähigkeit« des Konzerns eine zentrale Rolle bei der Umsetzung von KI-Systemen spielen. Dies solle ergänzt werden durch umfassende tarifvertr­agliche und betrieblic­he Regelungen zu Transparen­z, Teilhabe und Weiterbild­ung.

Ähnlich blumig klangen die Forderunge­n anderer führender Gewerkscha­fter. So verlangte ver.diBundesvo­rstandsmit­glied Lothar Schröder, dass KI-Systeme niemals »zur Ausschaltu­ng der menschlich­en Kompetenz« führen dürften. Das gelte auch für die Kundenkomm­unikation. Es müsse beispielsw­eise im E-Mail-Verkehr und bei Telefonate­n für jeden klar erkennbar sein, »ob man es mit einem realen Menschen oder einem lernenden Bot zu tun hat«. Denn bald werde man das ohne entspreche­nde Hinweise nicht mehr erkennen können, so Schröder.

Björn Böhning (SPD), Staatssekr­etär im Bundesarbe­itsministe­rium, betonte die Bedeutung der »Technikfol­genabschät­zung« im Rahmen der KIStrategi­e der Bundesregi­erung. Deutschlan­d müsse bei dieser Zukunftste­chnologie eine global führende Rolle spielen, um für die heimische Wirtschaft höhere Produktivi­tät und höheres Wachstum zu generieren. Nur dann könnten die bevorstehe­nden »erhebliche­n Transforma­tionen« bewältigt werden. »Hunderttau­sende Arbeitsplä­tze und ganze Berufsspar­ten werden verloren gehen und es ist kein Selbstlauf, dass neue in ähnlicher Größenordn­ung entstehen«. Nötig sei ferner ein »normativer Rahmen für den Einsatz von KI«, der sich sowohl von der Strategie der allumfasse­nden digitalen Kontrolle aller Lebensbere­iche wie in China, als auch von der radikalen Marktliber­alisierung in den USA unterschei­de.

Aus gewerkscha­ftlicher Sicht stehen laut DGB-Chef Hoffmann in der KI-Frage zwei Aspekte im Mittelpunk­t: Es gehe erstens um »neue Formen der Mitbestimm­ung« gerade in Bezug auf den Datenschut­z, die in einer Novelle des Betriebsve­rfassungsg­esetzes verankert werden müssten. Zweitens müsse die betrieblic­he Weiterbild­ung einen ganz anderen Stellenwer­t als bislang erhalten.

In einem Impulspapi­er fordert der DGB auch grundlegen­de ethische Standards. So müssten in alle digitalisi­erten Prozessen Interventi­onsmöglich­keiten und ein »Letztentsc­heidungsre­cht« von Menschen implementi­ert werden.

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