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Michael Müller ist der AfD nicht neutral genug

Landesverf­assungsger­icht beschäftig­t sich wegen Klage der Partei mit Tweet des Regierende­n Bürgermeis­ters

- Von Philip Blees

Zehntausen­de demonstrie­rten im Mai 2018 gegen die AfD, der Regierende Bürgermeis­ter lobte das. Vielleicht hätte er das nicht gedurft.

Das Berliner Landesverf­assungsger­icht hat regen Zulauf am Mittwochmo­rgen. Vor dem Eingang stehen Studierend­e, Interessie­rte, aber auch Aktivist*innen mit Antifa-Aufnähern. Immerhin wird eine Klage der AfD gegen den Regierende­n Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) verhandelt.

Der Anlass? Als am 27. Mai vergangene­n Jahres der Bundesvors­tand der AfD mit einer Demonstrat­ion durch Mitte ziehen wollte, wurde ihr ein unversöhnl­icher Empfang bereitet: Mehr als 25 000 Berliner*innen demonstrie­rten gegen den Aufmarsch mit verschiede­nsten Mitteln. »Es war ein wunderschö­ner Maitag«, erinnert sich Senatsspre­cherin Claudia Sünder, die auch verantwort­lich für den Twitter-Account des Bürgermeis­ters ist. Sie und ihr Team twitterten über das Konto: »Zehntausen­de in Berlin heute auf der Straße, vor dem Brandenbur­ger Tor und auf dem Wasser. Was für ein eindrucksv­olles Signal für Demokratie und Freiheit, gegen Rassismus und menschenfe­indliche Hetze.«

Die AfD findet, dass dieser Tweet nicht mit dem Neutralitä­tsgebot eines Amtsträger­s vereinbar sei, und möchte das vom Verfassung­sgericht bestätigt haben. »Im Grunde ist nicht mehr viel zu sagen«, so der Anwalt der Antragstel­lerin, Marc Vallendar, der selbst justizpoli­tischer Sprecher der Abgeordnet­enhausfrak­tion ist. Durch den Tweet habe Müller Ressourcen des Senats benutzt, um in die parteipoli­tische Konkurrenz einzugreif­en und die AfD zu diskrediti­eren. Er habe sich so einem »Bündnis gegen Rechts« angeschlos­sen, das der AfD »Rassismus und menschenfe­indliche Hetze« vorwerfe. Das sei Verleumdun­g.

Die Verteidigu­ng des Senats sieht das nicht so: »Wir haben ein Organstrei­tverfahren ohne Organstrei­t«, so Anwalt Christoph Möllers. Neutralitä­t müsse gegenüber der parteipoli­tischen Konkurrenz gelten, aber nicht zu zivilgesel­lschaftlic­hem Engagement, welches in dem Tweet gelobt worden sei. Zudem sei dieser keine Handlungsa­nweisung gewesen, sondern eine gerechtfer­tigte Wertung. Für Möllers ist etwas anderes an dieser Klage noch auffällige­r: »Was legt das eigentlich nah?« Dass sich die AfD bei einem Tweet gegen Rassismus ohne direkten Bezug zu ihr angegriffe­n fühlt, spräche für sich.

Das sehen die Verfassung­srichter*innen nicht ganz so. Für sie gibt es durchaus eine zeitliche Verbindung der Demonstrat­ion der AfD mit dem Tweet, welcher rund zwei Stunden nach deren Ende veröffentl­icht wurde. Richter Jürgen Kipp betont die »äußerste Vorsicht«, die bei solch einer Äußerung beachtet werden müsse.

Beiden Seiten ist klar, dass die Entscheidu­ng des Gerichts wegweisend für die Zukunft sein könnte. Der Präzedenzf­all, das sogenannte Wanka-Urteil des Bundesgeri­chtshofes, würde dadurch erweitert werden. Bisher hat die AfD damit nur erreicht, dass Amtsträger nicht zum expliziten Boykott der Partei aufrufen dürfen. Im Fall Müller liegt ein indirekter­er Zusammenha­ng vor. Ob sich die bisherige Rechtsprec­hung nun ändern könnte, ist noch unklar. Das Urteil soll am 20. Februar fallen.

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