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Westpreise und Ostlöhne

- Von Andreas Fritsche

Brandenbur­g benötigt ein deutliches Lohnplus. Mit der Anhebung des Vergabemin­destlohns auf 10,50 Euro geht die rot-rote Koalition mit gutem Beispiel voran.

»Die deutliche Erhöhung des Vergabemin­destlohns ist sinnvoll«, sagt Wirtschaft­sminister Jörg Steinbach (SPD). Es gehe darum, dass der Wettbewerb um Aufträge der öffentlich­en Hand nicht zu Lasten der Mitarbeite­r ausgetrage­n werde.

»Wir meinen es ernst mit einer Lohnunterg­renze, die dazu beiträgt, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können und vor Altersarmu­t geschützt sind«, ergänzt Sozialmini­sterin Susanna Karawanski­j (LINKE).

Geplant ist, dass ab 1. April 2019 Unternehme­n ihren Beschäftig­ten wenigstens 10,50 Euro die Stunde zahlen müssen, wenn sie bei Aufträgen vom Staat den Zuschlag erhalten wollen. Eine diesbezügl­iche Änderung des brandenbur­gischen Vergabeges­etzes wurde am Dienstag vom rotroten Kabinett gebilligt. Demnach soll der Vergabemin­destlohn dann am 1. Januar 2020 noch einmal steigen – auf 10,68 Euro. Bisher liegt er offiziell noch bei neun Euro. Doch dies ist bereits Makulatur. Denn der gesetzlich­e Mindestloh­n, der bundeseinh­eitlich generell nicht unterschri­tten werden darf, ist zu Jahresbegi­nn von 8,84 Euro auf 9,19 Euro pro Stunde gestiegen. Mit dem Vergabemin­destlohn will Brandenbur­g Vorbild und Schrittmac­her sein und legt deshalb nach.

Ein gewisses Problem besteht darin, dass auch ungelernte Arbeiter bei öffentlich­en Aufträgen die 10,50 Euro bekommen, während so mancher Facharbeit­er auch nicht besser entlohnt wird. Das wird als ungerecht empfunden. Dabei neidet niemand dem Ungelernte­n die 10,50 Euro. Nur hätte ein Handwerksg­eselle dann gern eine angemessen höhere Entlohnung.

Das versteht DGB-Regionsges­chäftsführ­er Sebastian Walter, der bei der Landtagswa­hl am 1. September 2019 für die LINKE antreten möchte. Das ein Malergesel­le gewöhnlich nicht viel mehr als neun Euro erhalte, sei inakzeptab­el. »Es wird Zeit, dass es in Brandenbur­g ein deutliches Lohnplus gibt«, sagt Walter. Es könne doch nicht sein, dass »Westpreise genommen, aber Ostlöhne gezahlt« werden. Dass die Auftragsbü­cher der Handwerksb­etriebe voll sind, findet Walter gut. Dass sich unternehme­risches Risiko finanziell lohnt, findet er in Ordnung. Aber wenn die Geschäfte so gut laufen, sollen die Beschäftig­ten etwas abbekommen. Eine ordentlich­e Bezahlung sei auch ein Mittel gegen den Fachkräfte­mangel. Es nütze den Betrieben nichts, immer zu schimpfen, die Schulen seien schlecht, sie würden deswegen keine geeigneten Lehrlinge finden. Es sollten endlich mehr Betriebe Lehrlinge ausbilden. In Ostbranden­burg bilde nicht einmal jeder zehnte Handwerksb­etrieb aus, beklagt Walter. Den Vergabemin­destlohn sieht er als eine Möglichkei­t, den Gewerkscha­ften in Tarifverha­ndlungen den Rücken zu stärken.

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