Schuldenbremse mit Ausnahmen
SPD, CDU, LINKE und Grüne wollen die Landesverfassung ändern
Das Land Brandenburg hat bereits seit 2011 keine neuen Schulden mehr gemacht. Nun will es die vom Bund vorgegebene Schuldenbremse in Landesrecht umsetzen.
Die Landesverfassung Brandenburgs soll künftig die Neuverschuldung verbieten – es sei denn, es geht nicht anders. Die geplante Verfassungsänderung wurde am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Fraktionen SPD, LINKE, CDU und Grüne vorgestellt. Der Landesregierung soll es prinzipiell verwehrt werden, was in Brandenburg bis 2011 die Regel war: die Neuverschuldung.
Das bezeichnete SPD-Fraktionschef Mike Bischoff als »historischen Schritt«. Neben der Landesverfassung soll auch die Landeshaushaltsordnung geändert werden. Bischoff zufolge wird die Regelung auch die Pflicht für einen moderaten Abbau der momentan 18 Milliarden Euro Schulden des Landes Brandenburg beinhalten.
Aber keine Regel ohne Ausnahme. Sollten Naturkatastrophen, Epidemien oder etwas Ähnliches eintreten, sollte es einen massiven Einbruch bei den Steuereinnahmen infolge einer abflauenden Wirtschaft geben, dann soll der Landtag mit einfacher Mehrheit beschließen können, doch wieder neue Schulden zu machen, bestätigte der CDU-Abgeordnete Steeven Bretz. Wichtig ist Bretz, dass jedoch auch für diesen Fall »die Tilgung geregelt« werde.
Als neuntes Bundesland macht Brandenburg von der Möglichkeit Gebrauch, die vom Bund vorgegebe- ne Schuldenbremse durch eine eigene Regelung auszugestalten, informierte Linksfraktionschef Ralf Christoffers. Würde Brandenburg auf diese Möglichkeit verzichten, müsste es mit einem Schuldenverbot ohne Wenn und Aber leben. Es würde dann die im Artikel 109 des Grundgesetzes festgehaltene strenge Schuldenbremse ab 2020 automatisch für das Bundesland gelten.
»An unserer skeptischen Haltung gegenüber der Schuldenbremse hat sich nichts geändert«, betonte Christoffers. »Aber wir haben bundesweit keine Mehrheit«, bedauerte er. Es bestehe keine Aussicht, die Schuldenbremse zu kippen. Nur durch eine eigene Landesregelung zur Schuldenbremse, die es bis zum 31. Dezember 2019 geben müsse, sei es möglich, wenigstens in Notsituationen eine Neuverschuldung zu erlauben. Darum müsse Brandenburg handeln, darum müsse die LINKE hier bei einer Änderung der Landesverfassung mitmachen, sagte Christoffers.
In Artikel 103 der brandenburgischen Verfassung steht bislang noch die Vorschrift, dass das Land neue Kredite bis zu der Höhe aufnehmen darf, in der es Investitionen tätigt, erinnerte Christoffers. Diese Vorschrift, die im Grunde eine Erlaubnis für eine Neuverschuldung in bestimmter Höhe ist, wird jedoch durch die Schuldenbremse im Grundgesetz hinfällig, da Bundesrecht vor Landesrecht geht. Darum soll stattdessen die Schuldenbremse in die Landesverfassung hineingeschrieben werden. Zugleich aber sollen auch mögliche Ausnahmen in die Verfassung aufgenommen werden. Auch das von Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) mit einer rot-rot-grünen Koalition regierte Thüringen habe eine eigene Regelung zur Schuldenbremse, um die Vorschrift des Grundgesetzes abzumildern, erläuterte Linksfraktionschef Christoffers.
»Eine Bremse ist kein Verbot«, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Weil die Vereinbarung der vier Landtagsfraktionen einen Tilgungsplan enthalte, sei dies »ein gutes Werk«. Vogel ist wichtig, dass nicht die Landespolitik die Entscheidung darüber haben soll, ob ein konjunkturbeding-
»An unserer skeptischen Haltung gegenüber der Schuldenbremse hat sich nichts geändert.«
Ralf Christoffers, Linksfraktionschef ter Haushaltsnotstand vorliegt, sondern dass dem die Daten des Bundesstatistikamtes zugrunde liegen. In Potsdam sei die Entscheidung in dieser Frage dann »nicht mehr politisch gesteuert«.
Rechnungshofpräsident Christoph Weiser begrüßte, dass die Koalitionsfraktionen und die Opposition in Sachen Schuldenbremse an einem Strang ziehen.
Die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank hat allerdings in den vergangenen fünf Jahren dazu geführt, dass für Bankguthaben höchstens niedrige oder überhaupt keine Zinsen mehr gezahlt werden und dass auf der anderen Seite für Kredite ziemlich geringe Zinsen fällig werden. Brandenburg hat für seine Schulden im Jahr 2010 noch 800 Millionen Euro Zinsen gezahlt, im laufenden Jahr sind es weniger als 300 Millionen Euro. Seit 2011 hat Brandenburg keine neuen Schulden mehr gemacht und konnte einen kleinen Teil seines Schuldenbergs abtragen.
Warum wird vor diesem Hintergrund überhaupt eine Schuldenbremse eingeführt? Was spricht jetzt eigentlich gegen Schulden? Die Frage allein weisen die Politiker als »kurzsichtig« gedacht zurück. Der CDU-Abgeordnete Steeven Bretz betonte, dass »die Zinsen wieder wachsen« werden. Es gehe um die Handlungsfähigkeit künftiger Generationen.
Das hört die Öffentlichkeit seit Jahren. Tatsächlich sind die verschuldeten Staatskassen Nutznießer der Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank. Nicht allein, dass sie dadurch von Zinszahlungen entlastet werden. Es sinkt auch die Schuldenlast, weil durch die Inflation das Geld weniger wert ist.
Auf der anderen Seite bekommen Sparer kaum oder gar keine Zinsen für ihre Guthaben. Private Rentenund Lebensversicherungen können wegen der Null-Zins-Politik nicht die Altersversorgung garantieren, die bei Abschluss der Verträge verhießen wurde. Die gesetzliche Rente reicht wegen der mehr als zweifelhaften Teilprivatisierung der Altersvorsorge zum Leben kaum aus. Vermögende stecken ihr Geld derweil in Aktien, deren Börsenkurs nur noch wenig mit dem tatsächlichen Wert der Unternehmen zu tun hat. Die Spekulationsblase bläht sich auf. Hier steckt eine Menge sozialer Zündstoff drin.