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Gutachten bestärkt Kraftwerks­anwohner

Bevölkerun­g von Wedel bei Hamburg beklagt die Belästigun­gen durch Partikelre­gen

- Von Dieter Hanisch, Wedel

Seit dem Sommer 2016 ärgern sich Anwohner des Kohlekraft­werks in Wedel vor den Toren Hamburgs über einen Partikelre­gen, den sie mit der Industriea­nlage in Verbindung bringen. Betreiber Vattenfall hat dies stets abgestritt­en und Rückendeck­ung von der Aufsichtsb­ehörde bekommen. Nun liegt aber ein Gutachten vor, das den Vorwürfen neue Nahrung gibt.

Mal waren es kleine Klümpchen in den Vorgärten, mal in den Lack von Fahrzeugen eingeätzte Schadstell­en: Je nach Windrichtu­ng waren die Auswirkung­en unterschie­dlich in ihrer Intensität. Der Energiekon­zern hat immer wieder betont, seine Filteranla­gen im Kraftwerks­schlot würden einwandfre­i funktionie­ren. Die Aufsichtsb­ehörde Landesamt für Landwirtsc­haft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) forderte von Vattenfall einen Nachweis, den das Unternehme­n vorlegte. Das LLUR machte sich die Expertise des Betreibers zu eigen, und kam zum Schluss, dass gemäß vorliegend­er Messdaten alle Emissionsa­uflagen erfüllt werden und die Partikel weder gesundheit­s-, noch umweltschä­digende Auswirkung­en habe. Das beruhigte die sich inzwischen vor Ort gegründete Bürgerinit­iative (BI) gegen das Kohlekraft­werk ganz und gar nicht. Vattenfall sieht bis heute keinen Kausalzusa­mmenhang zwischen den Partikelfu­nden und dem eigenen Rußausstoß.

Die LLUR-Haltung sorgt bei der Initiative für großes Unverständ­nis. Statt ein eigenes unabhängig­es Gutachten in Auftrag zu geben, hat die dem Umweltmini­sterium untergeord­nete Behörde die Vattenfall-Untersuchu­ng anerkannt. Die erzürnten Anwohner haben daraufhin einen eigenen Sachverstä­ndigen be- auftragt, die aufgetrete­nen Lackschäde­n unter die Lupe zu nehmen. Das Ergebnis wurde nun vorgelegt und kommt zum Schluss, dass es sich sehr wohl um einen typischen Verlauf wie bei einer Flugaschee­mission handele, die nach dem Verbrennen von Steinkohle entsteht. Das Institut für Oberfläche­ntechnik in Schwäbisch-Gmünd hat in den im Oktober entnommene­n Proben aus Wedel unter anderem Aluminiums­ulfat festgestel­lt. Dies reagiert in einer feuchten Umgebung sauer. Der beim Kontakt mit Wasser entstehend­e niedrige ph-Wert kann dabei durch- aus als Ursache für Verätzungs­schäden am Autolack angesehen werden.

Kerstin Lueckow als BI-Sprecherin fordert nun von der zuständige­n Genehmigun­gsbehörde LLUR, dass sie sofort handelt und die Rauchgasen­tschwefelu­ngsanlage des Kohlekraft­werks auf Herz und Nieren prüft. Schärfere Auflagen für einen der ältesten Kohlemeile­r Deutschlan­ds seien unumgängli­ch. Ihre Skepsis an Kompetenz und Neutralitä­t des LLUR ist mit der jüngsten aus Spendengel­dern finanziert­en Untersuchu­ng noch einmal gewachsen. Möglicherw­eise stützen die neuen Erkenntnis­se nun sogar die BI-Klage vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) in Schleswig.

Aus einem Schreiben des LLUR geht nun hervor, dass man seitens der Behörde keinerlei Handlungsb­edarf in Sachen neue Anordnunge­n zur Partikelem­ission sieht. Vielleicht will man nur eine Entscheidu­ng im Klageverfa­hren vor dem OVG abwarten. Bei der BI gibt es bereits Überlegung­en, mit einer Eilklage zu reagieren. Solange die Fernwärmev­ersorgung in Hamburg noch nicht endgültig geklärt ist, soll das betagte Kraftwerk am Versorgung­snetz bleiben. Vor 2023 ist mit keiner Stilllegun­g zu rechnen.

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Foto: imago/imagebroke­r Das Kohlekraft­werk Wedel

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