Sport als nationale Lebensversicherung
WM-Gastgeber Katar trifft bei der Asienmeisterschaft der Fußballer auf den politischen Widersacher Saudi-Arabien
Katar wird von Saudi-Arabien blockiert. Das Duell beider Länder im Fußball dürfte dem Kleinstaat nützen, profiliert es sich doch seit Längerem gern mithilfe des Sports.
Im Juni 2017 verhängte Saudi-Arabien eine Blockade über Katar. Ägypten, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate schlossen sich an und setzten ihre diplomatischen Beziehungen mit Doha aus. Es ist der Fußball, der Katar nach 19 Monaten nun wieder eine öffentliche Bühne in der Region bietet. An diesem Donnerstag trifft das Nationalteam bei der Asienmeisterschaft auf Saudi-Arabien. Und gespielt wird in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. »Unsere Spieler sind sich der Situation bewusst«, sagte Félix Sánches, der spanische Trainer Katars. »Ich bin überzeugt, dass sie sich auf den Sport konzentrieren und alles andere ausblenden können.«
Der Fernsehsender Al Jazeera aus Doha vermeldete, dass ein Fußball- funktionär und einige Journalisten aus Katar zunächst nicht in die Emirate einreisen durften. Und die Mannschaft Katars musste trotz des kurzen Reisewegs in Kuwait zwischenlanden, da direkte Flüge ausgesetzt sind. Ansonsten blieben gegenseitige Provokationen bislang aus.
»Die Katarer betrachten Sportveranstaltungen als eine Art Lebensversicherung«, sagt der Politikwissenschaftler Danyel Reiche von der Amerikanischen Universität Beirut und erinnert an 1990. Damals marschierte Irak ins kleine Kuwait ein, die USA rückten zur Befreiung an. »Katar möchte durch Sport so stark wahrgenommen werden, dass ihm so etwas erst gar nicht passiert«, sagt Reiche.
Saudi-Arabien ist 200-mal so groß wie Katar. Der Kleinstaat hat mit 12 000 Soldaten die zweitkleinste Arme in der Region. Saudi-Arabien und Iran verfügen dagegen jeweils über mehr als 500 000 Mann starke Streitkräfte. Katar beherbergt zwar eine der größten Militärbasen der USA. In Zeiten der unberechenbaren Politik Donald Trumps investiert das Emirat aber lieber in »Soft Power«, setzt also statt aufs Militär eher auf einen Kulturaustausch. Und da spielt der Sport eine große Rolle. Die Fußball-WM 2022 und weitere Sportereignisse wurden ins Land geholt, Paris Saint-Germain gekauft und der FC Barcelona sowie der FC Bayern gesponsert.
Von den zweieinhalb Millionen Einwohnern haben nur rund zehn Prozent einen katarischen Pass. In Bildung oder Gesundheitsvorsorge genießen diese Staatsbürger Privilegien, ihr Pro-Kopf-Einkommen ist eines der höchsten weltweit. Viele von ihnen fürchten jedoch, dass die Debatten rund um die WM ihr Land zu sehr liberalisieren könnten, sagt der ARD-Journalist Florian Bauer, der mehrfach in Katar recherchiert hat.
Die Monarchie steckt also etwas in der Zwickmühle. Für die westliche Akzeptanz – auch im Sport – muss sie bei Frauenrechten, Arbeitsbedingungen und Pressefreiheit Fortschritte vorweisen. Gleichzeitig erhöhte sie kürzlich massiv die Alkoholpreise als Zugeständnis an konservative Kreise im Inland.
In Sachen »Soft Power« konnte Saudi-Arabien den Katarern bislang nur wenig entgegensetzen. Die Reformagenda des Kronprinzen Mohammed bin Salman erweiterte zwar das Sportangebot für Frauen. Die Formel E war auch zu Gast, doch so manche Investition scheiterte. Der Mord am Journalisten Jamal Khashoggi ließ zudem potenzielle Partner auf Distanz gehen.
So dürften die Pläne von Gianni Infantino unrealistisch bleiben. Der Präsident des Fußballweltverbands FIFA möchte mit einem ominösen Angebot von 25 Milliarden Dollar aus SaudiArabien neue Wettbewerbe schaffen. Er will zudem 2022 eine WM mit 48 statt 32 Mannschaften. Aus Mangel an Stadien bräuchte Katar dafür Unterstützung der Nachbarn. Angesichts der politischen Spannungen wird das aber schwierig.
Katar hat sich mit neuen Transportwegen für Lebensmittel auf die Blockade eingestellt. Sportlich läuft es bei der Asienmeisterschaft sogar mehr als passabel. Die Bilanz nach zwei Spielen: zwei Siege und 8:0 Tore.