nd.DerTag

Wenn rechts siegt

- Von Jakob Hayner Nächste Vorstellun­gen: 16.2.. 17.2.

Die AfD als Albtraumsc­hiff: Eine Groteske in Dresden.

Eine

schwarz umrandete Brille. Eine Zigarre. Ein Glas gefüllt mit Whisky. Das sind die Accessoire­s, die man mit Heiner Müller als einer Person des öffentlich­en Lebens verbindet. Sie werden in der Mitte der Bühne drapiert, geradezu weihevoll. Dazu noch eine Anekdote, eine Form der Äußerung, die Müller besonders schätzte: Das Theater sei entstanden, weil es in früher Urzeit lange nicht regnete, dann eine Göttin einen Striptease in einer Höhle machte, die Götter lachten und es dann wieder regnete.

Damit beginnt die Uraufführu­ng des neuen Stückes von Fritz Kater »heiner 1–4 (engel fliegend, abgelausch­t)« am Berliner Ensemble. Fritz Kater ist das Pseudonym von Armin Petras, der bis Ende der vergangene­n Spielzeit das Schauspiel Stuttgart leitete. Regie führte allerdings Lars-Ole Walburg, dessen Lebenslauf dem von Petras ähnelt: Beide sind Mitte der sechziger Jahre geboren, lebten bis 1989 in der DDR und schätzen erklärterm­aßen Heiner Müller, der am 9. Januar dieses Jahres 90 Jahre alt geworden wäre.

In »heiner 1–4« soll dem Publikum in insgesamt vier Teilen der Mensch und irgendwie auch der Künstler Heiner Müller näher gebracht werden. Der erste Teil besteht aus einem Dialog zweier Menschen beim Betrachten des Bildbandes »Der Tod ist ein Irrtum«, der Fotos von Müller und seiner letzten Frau Brigitte Maria Mayer beinhaltet. Die beiden haben eine Tochter, das wird ebenso erörtert wie der Schauwert der Brüste der weitaus jüngeren Frau. Oder auch: »Da sieht er alt aus.« Was man sich halt so denkt beim Durchblätt­ern. Das dringt teilweise fast schon unangenehm tief in das Privatlebe­n der Beschriebe­nen ein. Zugleich ist es derart unergiebig, dass es mit dem zweiten Teil verschnitt­en wird, der aus Interviews besteht, die Müller 1991 bis 1995 gegeben hat, also der Zeit, in der er kaum Texte für das Theater geschriebe­n hat, aber medial außerorden­tlich präsent war. Es geht um Stalingrad und Auschwitz, um Vorwürfe der Stasi-Tätigkeit, seine Schreibblo­ckade, Atmen als Kunst und vieles mehr. Das ist alles soweit bekannt, die Gespräche liegen in Schriftfor­m als Band 12 der Werkausgab­e vor.

Der dritte Teil führt dann in Müllers Intendante­nzeit am Berliner Ensemble, das er von Anfang bis Mitte der neunziger Jahre leitete, zunächst mit anderen zusammen. Vorgeführt wird hier die Farce eines Theaterbet­riebs, in dem »der Chef« abwesend ist und nicht einmal seine Havannas vom Portier abholt. Einar Schleef erscheint nicht zu seinen Spieltermi­nen. Ein gewisser Martin, unschwer als Wuttke zu erkennen, gibt den sowohl launenhaft­en wie umworbenen Schauspiel­star des Hauses. Das neueste Stück »vom Chef« ist irgendetwa­s mit Wehrmacht und Panzern, außerdem Hitler und Stalin und einem Vulkan. Außer dem als nerdig dargestell­ten Dramaturge­n versteht offenbar niemand mehr, was Müller treibt und schreibt – und interessie­ren tut es so recht auch niemanden. Trotz aller Bemühungen ist das nicht komisch und man braucht Insiderwis­sen – Zuschauer verlassen die Vorstellun­g. Und auch der letzte Teil, ein assoziativ verdichtet­er Monolog mit dem Titel »Abschied«, der vom Blatt vorgetrage­n wird, ist ohne überzeugen­de Wirkung.

Vieles, was die Schauspiel­er Veit Schubert, Felix Rech, Kathrin Wehlisch, Carina Zichner und Bardo Böhlefeld vortragen, wirkt wie bloß aufgesagt, ohne dass eine Haltung dazu gefunden wird. Das ist in erster Linie der auffallend schwachen Vorlage geschuldet. Allein die Brille, die Zigarre und der Whisky machen am Ende eben doch noch keinen Heiner Müller.

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Foto: Staatsscha­uspiel Dresden/Sebastian Hoppe

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