Wenn rechts siegt
Die AfD als Albtraumschiff: Eine Groteske in Dresden.
Eine
schwarz umrandete Brille. Eine Zigarre. Ein Glas gefüllt mit Whisky. Das sind die Accessoires, die man mit Heiner Müller als einer Person des öffentlichen Lebens verbindet. Sie werden in der Mitte der Bühne drapiert, geradezu weihevoll. Dazu noch eine Anekdote, eine Form der Äußerung, die Müller besonders schätzte: Das Theater sei entstanden, weil es in früher Urzeit lange nicht regnete, dann eine Göttin einen Striptease in einer Höhle machte, die Götter lachten und es dann wieder regnete.
Damit beginnt die Uraufführung des neuen Stückes von Fritz Kater »heiner 1–4 (engel fliegend, abgelauscht)« am Berliner Ensemble. Fritz Kater ist das Pseudonym von Armin Petras, der bis Ende der vergangenen Spielzeit das Schauspiel Stuttgart leitete. Regie führte allerdings Lars-Ole Walburg, dessen Lebenslauf dem von Petras ähnelt: Beide sind Mitte der sechziger Jahre geboren, lebten bis 1989 in der DDR und schätzen erklärtermaßen Heiner Müller, der am 9. Januar dieses Jahres 90 Jahre alt geworden wäre.
In »heiner 1–4« soll dem Publikum in insgesamt vier Teilen der Mensch und irgendwie auch der Künstler Heiner Müller näher gebracht werden. Der erste Teil besteht aus einem Dialog zweier Menschen beim Betrachten des Bildbandes »Der Tod ist ein Irrtum«, der Fotos von Müller und seiner letzten Frau Brigitte Maria Mayer beinhaltet. Die beiden haben eine Tochter, das wird ebenso erörtert wie der Schauwert der Brüste der weitaus jüngeren Frau. Oder auch: »Da sieht er alt aus.« Was man sich halt so denkt beim Durchblättern. Das dringt teilweise fast schon unangenehm tief in das Privatleben der Beschriebenen ein. Zugleich ist es derart unergiebig, dass es mit dem zweiten Teil verschnitten wird, der aus Interviews besteht, die Müller 1991 bis 1995 gegeben hat, also der Zeit, in der er kaum Texte für das Theater geschrieben hat, aber medial außerordentlich präsent war. Es geht um Stalingrad und Auschwitz, um Vorwürfe der Stasi-Tätigkeit, seine Schreibblockade, Atmen als Kunst und vieles mehr. Das ist alles soweit bekannt, die Gespräche liegen in Schriftform als Band 12 der Werkausgabe vor.
Der dritte Teil führt dann in Müllers Intendantenzeit am Berliner Ensemble, das er von Anfang bis Mitte der neunziger Jahre leitete, zunächst mit anderen zusammen. Vorgeführt wird hier die Farce eines Theaterbetriebs, in dem »der Chef« abwesend ist und nicht einmal seine Havannas vom Portier abholt. Einar Schleef erscheint nicht zu seinen Spielterminen. Ein gewisser Martin, unschwer als Wuttke zu erkennen, gibt den sowohl launenhaften wie umworbenen Schauspielstar des Hauses. Das neueste Stück »vom Chef« ist irgendetwas mit Wehrmacht und Panzern, außerdem Hitler und Stalin und einem Vulkan. Außer dem als nerdig dargestellten Dramaturgen versteht offenbar niemand mehr, was Müller treibt und schreibt – und interessieren tut es so recht auch niemanden. Trotz aller Bemühungen ist das nicht komisch und man braucht Insiderwissen – Zuschauer verlassen die Vorstellung. Und auch der letzte Teil, ein assoziativ verdichteter Monolog mit dem Titel »Abschied«, der vom Blatt vorgetragen wird, ist ohne überzeugende Wirkung.
Vieles, was die Schauspieler Veit Schubert, Felix Rech, Kathrin Wehlisch, Carina Zichner und Bardo Böhlefeld vortragen, wirkt wie bloß aufgesagt, ohne dass eine Haltung dazu gefunden wird. Das ist in erster Linie der auffallend schwachen Vorlage geschuldet. Allein die Brille, die Zigarre und der Whisky machen am Ende eben doch noch keinen Heiner Müller.