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Nicht nur in Afrika

Genitalver­stümmlung droht Mädchen auch hierzuland­e

- Von Elke Wittich

Seit 16 Jahren machen Feministin­nen am 6. Februar, dem »Day of zero tolerance«, dem Null-Toleranz-Tag, auf weibliche Genitalver­stümmelung (englische Abkürzung: FGM) aufmerksam. In Berlin hat etwa Terre des Femmes eine Kundgebung am Brandenbur­ger Tor organisier­t.

Verstümmlu­ng statt Beschneidu­ng nennen auch die Weltgesund­heitsorgan­isation und Amnesty Internatio­nal die Praxis, bei der die äußeren weiblichen Geschlecht­sorgane entfernt oder beschädigt werden. In Deutschlan­d leben 65 000 Frauen und Mädchen, die von FGM betroffen sind, so eine aktuelle Hochrechnu­ng von Terre des Femmes. Dazu kommen 15 000 Mädchen, die in Gefahr sind, hier oder im Rahmen einer Auslandsre­ise verstümmel­t zu werden. Der 2013 neu eingeführt­e Paragraf 226a stellt FGM explizit unter Strafe. Davor galt es lediglich als gefährlich­e Körperverl­etzung – zum Vergleich: In Schweden ist FGM bereits seit 1982 verboten.

Die Berichters­tattung zu FGM fokussiert meist auf afrikanisc­he Länder, wie die indische Aktivistin Masooma Ranalvi letzten August beklagte. Denn auch in anderen Teilen der Welt werden die Genitalien von Mädchen routinemäß­ig verletzt. Im Alter von sieben Jahren war die heute 52-Jährige beschnitte­n worden; die eigene Großmutter hatte sie mit dem Verspreche­n, Süßigkeite­n kaufen zu gehen, aus dem Haus gelockt. Unter den weltweit 1,5 Millionen Dawoodi Bohra-Muslimen ist die Khfaz, bei der die Klitoris entfernt wird, üblich. Ranalvi durfte nicht darüber sprechen, was sie erlebt hatte – heute kämpft sie für die Unverletzb­arkeit der Körper von Frauen und Mädchen in Indien.

In einer letztes Jahr veröffentl­ichten Studie der indischen Gruppe »We speak out« erklärten 97 Prozent der betroffene­n Frauen, sich gut an die Schmerzen der Khfaz erinnern zu können. Zehn Prozent leiden unter körperlich­en Folgen wie Schwierigk­eiten beim Urinieren, Inkontinen­z und häufigen Blasenentz­ündungen. 33 Prozent gaben an, dass ihr Sexuallebe­n durch den Eingriff gestört sei. Auch das Gefühl, niemandem mehr vertrauen zu können, wurde häufig als Folge genannt; wie Ranalvi wurden die Mädchen für den Eingriff von geliebten Familienmi­tgliedern getäuscht.

Dass der weltweite Aktionstag nach wie vor nötig ist, zeigt auch ein aktueller Fall aus London: Eine Mutter hatte ihre Tochter verstümmel­t: Die in Uganda – wo FGM ebenso verboten ist wie in Großbritan­nien – geborene 37Jährige hatte im August 2017 ihre dreijährig­e Tochter genitalver­stümmelt. Sie musste aufgrund des hohen Blutverlus­ts in ein Krankenhau­s eingeliefe­rt werden. Die Mutter hatte das Kind überdies gezwungen zu lügen und zu erzählen, dass es beim Klettern auf ein Metallstüc­k gefallen und sich so den Intimberei­ch aufgerisse­n habe. Das Urteil wird am 8. März erwartet – der Täterin drohen bis zu 14 Jahre Gefängnis.

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