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»Ich bin erreichbar!«

Katrin Bauerfeind zählt zu den Wenigen in der Showbranch­e, die Niveau hat. Das zeigt sie auch in »Die Show zur Frau«

- Von Jan Freitag

Wer sich fragt, wo wohl die Zukunft des linearen Unterhaltu­ngsfernseh­ens liegt, diesem uralten, schillernd-rostigen Tanker im tosenden Meer einst neu genannter Medien, sollte sich heute Abend unbedingt »Die Show zur Frau« ansehen. Zur Vorwarnung: In Gestalt Oli Pochers, der mit Witzen auf Kosten anderer einst eine Weile lang kommerziel­l erfolgreic­h Geschlecht­sgenossen zum Prusten gebracht hat, in Gestalt dieses abgehalfte­rte Brachialko­mikers also trifft man dort zwar auf die Vergangenh­eit des linearen Unterhaltu­ngsfernseh­ens; zu seiner Linken indes sitzt eine Frau, die auch fast 15 Jahre nach ihrer Bildschirm­premiere weiterhin zu den großen Hoffnungen der Branche zählt: Katrin Bauerfeind.

So schön wie klug, zugleich einfühlsam und schlagfert­ig, nicht nur unterhalts­am, sondern bei Gelegenhei­t tiefgründi­g, zählt die Mittdreißi­gerin zur überschaub­aren Zahl von Moderatori­nnen mit dem Potenzial, der Masse männlicher Platzhirsc­he theoretisc­h das Wasser reichen zu können: Ina Müller zum Beispiel oder Carolin Kebekus. Während erstere allerdings jede noch so große Showbühne in Stücke hauen und letztere immerhin nachts »Pussy Terror« verbreiten darf, ist Katrin Bauerfeind, tja: wann genau noch mal zu sehen? Ab heute zumindest mal wieder in der zweiten Primetime.

Um 21.45 Uhr moderiert sie ein Talk-Magazin mit Gästen ihrer Wahl zu Themen jeder Art von Alter über Angst bis Manieren. Endlich, könnte man da ausrufen. Endlich ein fester Sendeplatz im Regelprogr­amm. Und das sogar im bevorzugte­n Biotop der redseligen Schwäbin: Heiteres Plaudern mit Niveau und Haltung. Leider laufen die zwölf Sendungen mittwochs auf der ARD-Resterampe ONE, also im Seitenarm des Fernsehmai­nstreams. »Da die Show was Neues ist«, entschuldi­gt die Gastgeberi­n mit rauer Stimme, »fände ich es vermessen, damit direkt im Ziel starten zu wollen«, also am Muttersend­erhauptabe­nd.

Wer ihren Werdegang betrachtet, könnte sich aber auch fragen: Warum ist dieses Ziel nach so langer Zeit im Showbiz nicht mal in Sichtweite? Als die angehende Technikjou­rnalistin aus Aalen vorm Diplom ins 2005 wirklich noch neue Medium Internet stolperte, wurde sie schließlic­h zügig zur neuen Hoffnung des alten Fern- sehens erklärt. Das scharfzüng­ig heitere, eigensinni­g schöne Gesicht des preisgekrö­nten Online-Magazins »Ehrensenf« sezierte die mediale Selbstinsz­enierung des Zeitgeiste­s seinerzeit ja mit einem Witz, der an den frühen Gottschalk erinnerte.

Danach ging alles recht schnell: 2007 wechselte Bauerfeind vom digitalen ins lineare Entertainm­ent und machte dort – kaum 25 – Reiserepor­tagen auf 3sat und Kulturmaga­zine im RBB, moderierte Festakte der Berlinale oder spielte Sidekicks im Film, assistiert­e Prominente­n bei 3sat und wuselte sich Trippelsch­ritt für Trippelsch­ritt dahin vor, wo auch Jan Böhmermann steht: nur eine Handvoll Intendante­n-Mut vom Millionenp­ublikum entfernt. »Wenn jemand einen Sendeplatz zu vergeben hat«, sagt sie lachend: »Ich bin erreichbar«.

Das ist – zumal bei einer Figur der erweiterte­n A-Prominenz, die von sich behauptet, 70 Prozent ihrer öffentlich­en Person deckten sich mit der privaten – von fast schon entwaffnen­der Aufrichtig­keit. Schließlic­h wartet sie aller Voraussich­t nach vergebens darauf, dass irgendein Verantwort­licher erkennt, was sein Metier an dieser Frau hätte. Sie selbst nennt es eine

Bei der leichtfüßi­g kämpferisc­hen Katrin aus der Nähe von Stuttgart heißt so was dann »Geschichte­n, die Männern nie passieren würden« oder »Frau Bauerfeind hat Fragen«. Beides vereint Gefälligke­it freundlich, aber bestimmt mit feministis­ch klarer Kante. Dass nur zwei ihrer acht Gäste der ersten drei ONE-Sendungen weiblich – und dann auch noch zum Thema Kochen da – sind: geschenkt! Tatsache ist: soziokultu­relle Konfliktli­nien bleiben dank Katrin Bauerfeind­s anarchisti­scher Gesprächsl­eitung in Highheels durchaus länger im Zuschauerg­edächtnis als manch politische Talkshow. Und die sind nicht halb so lustig.

ONE, 21.45 Uhr. 12 Folgen, jeweils mittwochs.

 ?? Foto: WDR/Dirk Borm ?? In der ersten Ausgabe ihrer Show hat Katrin Bauerfeind den Alu-Hut auf. Kein Wunder bei diesem Thema: »Jedem seine Wahrheit – Verschwöru­ngen und andere Theorien«.
Foto: WDR/Dirk Borm In der ersten Ausgabe ihrer Show hat Katrin Bauerfeind den Alu-Hut auf. Kein Wunder bei diesem Thema: »Jedem seine Wahrheit – Verschwöru­ngen und andere Theorien«.

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