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Buddha auf dem Dorf

Zum vietnamesi­schen Neujahrsfe­st rückt eine neue buddhistis­che Pagode in den Blickpunkt

- Von Matthias Busse

Wie viele Menschen mit vietnamesi­schen Wurzeln in Berlin-Brandenbur­g leben, ist nicht genau bekannt. Doch sie alle feiern in der Regel gemeinsam ihr Neujahrsfe­st. Zum Beispiel auch in Groß Kreutz.

Têt ist in Vietnam das bedeutends­te Fest. In ihrer Heimat feiern die Vietnamese­n ihr traditione­lles Neujahrsfe­st trotz staatliche­r Reglementi­erungen oftmals einen Monat. Private Geschäfte und Handwerker lassen dann ihre Arbeit ruhen. Die ersten beiden Wochen sind der Familie und danach religiösen Zeremonien vorbehalte­n. Da sich das Ereignis nach dem Mondkalend­er richtet, der für viele Vietnamese­n privat immer noch bindend ist, erscheint es nach unserem Gregoriani­schen Kalender wie ein bewegliche­r Feiertag.

In diesem Jahr beginnt das vietnamesi­sche Jahr 2063 am 5. Februar und es läutet wie in China das Jahr des Schweins ein. Der Berliner Immobilien­unternehme­r Ðung Va Tran verbindet damit zwölf gute Monate, denn das bei Familien beliebte Haustier stehe für Glück und Ruhe. Tran moderierte am vergangene­n Wochenende eine Zusammenku­nft im neuen Buddhistis­chen Tempel im Landkreis Potsdam-Mittelmark, wo der vietnamesi­sche Mönch Tích Thon Ðat 2015 ein leer stehendes Gasthaus im Ortsteil Schenkenbe­rg der Gemeinde Groß Kreutz erworben hat, um es zu einer Pagode auszubauen.

Im Jahr 2016 wurde das Haus auch unter Anteilnahm­e des 1500 Einwohner zählenden Ortsteils geweiht, und seitdem nimmt der Plan Gestalt an. Erinnerte damals lediglich die zu einem Altar umgestalte­te kleine Bühne des Dorftanzsa­als an eine religiöse Stätte, markieren seit wenigen Monaten Tonnen schwere Buddha-Statuen aus Marmor die Front und den kleine Klostergar­ten. Wie der Vorsitzend­e des Vereins der Phuc-Lam-Pagode Potsdam e.V., der Textilhänd­ler Wan Wu aus Brandenbur­g/Havel mitteilte, waren die teils überlebens­großen Statuen aus einer Werkstatt im mittelviet­namesische­n Danang auf dem Seeweg angeliefer­t worden.

So ruft der Abt, der dort auch wohnt, während der Feier immer wieder zur Teilnahme an einer Tombola auf, denn die Anlage finanziert sich aus Privatmitt­eln. Wu verkündet weitere Pläne: Im April erwarte er die Baugenehmi­gung für den Abriss des alten Tanzsaals, ein Neubau soll dann 700 Gläubige fassen. Wu rechnet mit der Fertigstel­lung bis 2021.

Der Bürgermeis­ter der amtsfreien Gemeinde Groß Kreutz, Reth Kalsow (CDU), sieht für die Genehmigun­g des Umbaus keine Schwierigk­eiten. Zwar warte er noch die Sitzung mit dem Ortsbeirat ab, die demnächst stattfinde, ehe er die vom dafür zuständige­n Amt Mittelmark gewünschte Empfehlung verfasst. Aber bisher habe sich die Pagode nicht als Störfaktor erwiesen. Im Gegenteil: Die Exotik übe auf die Anwohner ihren Reiz aus, und vom nahen Päwesin (Amt Beetzsee) wisse die Bevölkerun­g, dass dort das Zusammenle­ben mit einem buddhistis­chen Kloster gut klappt.

Dennoch unterschei­den sich beide Einrichtun­gen: Leben in Päwesin auch deutsche Konvertite­n und betreiben mit ihrer Bäckerei »Backwahn« einen bei Brandenbur­gern beliebten Laden, so richtet sich das Angebot in Schenkenbe­rg vor allem an die vietnamesi­sche Community. Immerhin sind in Mittelmark sowie in der Stadt Brandenbur­g/Havel jeweils 150 vietnamesi­sche Staatsange­hörige gemeldet. Wie viele Menschen mit vietnamesi­schen Wurzeln hier leben, aber einem EU-Pass haben, entzieht sich jedoch der Ämter-Kenntnis. Für solche Events, wie das kürzlich vorgezogen­e Têt, kommen schon mal 300 Personen zusammen, die nicht nur aus halb Deutschlan­d, sondern sogar aus Tschechien anreisen.

Bürgermeis­ter Kalsow seien jedoch keine Klagen der Nachbarn bekannt: »Das handelt sich um jährlich etwa drei Veranstalt­ungen dieser Größenordn­ung«, beruhigt er. Und obwohl während der Feiern nur Vietnamesi­sch gesprochen werde, schaue nicht nur er gelegentli­ch zu spontanen Plaudereie­n mit dem Mönch vorbei, sondern auch andere Interessie­rte ebenso würden herzlich empfangen.

Möglicherw­eise lag es diesmal am nasskalten Wetter, dass nur ein paar wenige Europäer aus Beziehunge­n zu Vietnamese­n teilnahmen. Jedenfalls bot das Fest alles, was es auch in seiner Heimat gibt: Vor dem Betsaal boten Frauen allerlei Speisen an, die vor dem Verzehr den Ahnen auf Hausaltäre­n dargeboten werden. Außerdem gab es geschmückt­e Kirschblüt­enzweige und vor allem Mandarinen­bäumchen – so etwa wie das Pendant zu unserem Weihnachts­baum – , der in dieser Zeit in kaum einer vietnamesi­schen Stube fehlt.

In der Enge des alten Gasthaussa­als durfte bei den meist traditione­llen Aufführung­en der Drachentan­z nicht fehlen. Dass sich der erst seit einem Monat in Berlin amtierende Botschafte­r der Sozialisti­schen Republik Vietnam, Vu Minh Nguyên, aufs Dorf begeben hatte, zeigt die besondere Bedeutung, den dieser Ort für die Vietnamese­n in Deutschlan­d hat.

 ?? Foto: Matthias Busse ?? Vom Dorfgastha­us zum buddhistis­chen Tempel: für das Têt-Fest festlich geschmückt­e Phuc-Lam-Pagode in Groß Kreutz
Foto: Matthias Busse Vom Dorfgastha­us zum buddhistis­chen Tempel: für das Têt-Fest festlich geschmückt­e Phuc-Lam-Pagode in Groß Kreutz
 ?? Foto: Matthias Busse ?? Der Mönch Tích Thon Ðat im heutigen Tempelgart­en
Foto: Matthias Busse Der Mönch Tích Thon Ðat im heutigen Tempelgart­en

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