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Kaum Argumente gegen höhere Löhne

Die Länder haben genug Geld, um den öffentlich­en Dienst besser zu bezahlen – sie haben jedoch nur wenig Einfluss darauf, dass das so bleibt

- Von Ines Wallrodt

Die Länder erzielten allein 2018 einen Überschuss von 17 Milliarden Euro. Da ist es nicht leicht, die Tarifforde­rungen der Beschäftig­ten wie üblich zurückzuwe­isen.

Anders als in der Privatwirt­schaft, wo in Tarifverha­ndlungen um die Aneignung der Gewinne gekämpft wird, streitet man im öffentlich­en Dienst um den Einsatz von Steuermitt­eln. Und die scheinbar genetische Eigenschaf­t von öffentlich­en Kassen ist es, leer zu sein oder sein zu werden, insbesonde­re, wenn auch noch die Ansprüche der Staatsbedi­ensteten erfüllt werden. Verweise auf die angeblich angespannt­e Finanzlage sind deshalb fester Bestandtei­l von Lohnverhan­dlungen im öffentlich­en Dienst. Die aktuelle Tarifrunde der Bundesländ­er, die am Mittwoch und Donnerstag fortgesetz­t wird, ist da keine Ausnahme.

Die Gewerkscha­ften des öffentlich­en Diensts fordern für die mehr als eine Million Tarifbesch­äftigten der Länder (außer Hessen, wo separat verhandelt wird) sechs Prozent mehr Gehalt, monatlich jedoch mindestens 200 Euro. Die angestrebt­e Einigung soll auf 1,2 Millionen Beamte übertragen werden. Wie üblich haben die Länder die Forderunge­n zurückgewi­esen. Sie würden mehr als 2,7 Milliarden Euro pro Jahr und bei Übertragun­g auf den Beamtenber­eich mehr als acht Milliarden Euro kosten, rechnet Berlins Finanzsena­tor Matthias Kollatz (SPD) vor. Der amtierende Chef der Tarifgemei­nschaft deutscher Länder (TdL) verweist zudem den Schuldenbe­rg der Länder und die Schuldenbr­emse. »Das bedeutet, dass es Vorgaben an die Länder gibt, von ihren 750 Milliarden Schulden etwas zurückzube­zahlen.«

Allerdings ist es in Zeiten sprudelnde­r Steuereinn­ahmen für öffentlich­e Arbeitgebe­r schwierige­r, die traditione­lle Abwehrlini­e zu halten. Denn auch Kollatz räumt ein, »dass es den Ländern jetzt finanziell besser geht als früher«. Sie erzielten im vergangene­n Jahr einen Überschuss von über 17,1 Milliarden Euro. In den kommenden zwei Jahren sind weiter steigende Steuereinn­ahmen prognostiz­iert, selbst wenn sich das Wachstum abschwächt. Der Stabilität­srat zur Haushaltsü­berwachung hatte in seinem aktuellen Bericht vom Dezember bei der Mehrheit der Länder nichts zu beanstande­n. »Es droht keine Haushaltsn­otlage«, bescheinig­te ihnen das Kontrollgr­emium. Nur Bremen und Saarland befinden sich weiter im »Sanierungs­verfahren«.

In der Vergangenh­eit haben die Länder ihren Haushalt stark über die Personalko­sten – sprich: die Löhne der Beschäftig­ten – konsolidie­rt. Sowohl bei der Zahl der Angestellt­en als auch bei der Bezahlung sehen die Gewerkscha­ften einen erhebliche­n Nachholbed­arf. So könnten im Jahr 2030 insgesamt über 800 000 Stellen im öffentlich­en Dienst unbesetzt sein, warnen sie. Im Vergleich zur Gesamtwirt­schaft seien die Einkommen der Länderbesc­häftigten seit dem Jahr 2000 um rund vier Prozent weniger gestiegen. Auch die Kollegen in Bund und Kommunen verdienen mehr.

Die Länder haben ein strukturel­les Problem: Ihre Einnahmen werden maßgeblich von der Bundeseben­e bestimmt. Steuersenk­ungen, wie die geplante Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s, werden ihre Überschüss­e schmälern. Auf andere Einnahmequ­ellen wie die Vermögenss­teuer verzichtet der Bund seit 1997. Die Gewerkscha­ften beharren jedoch darauf, dass nicht die Beschäftig­ten für diesen Verzicht bezahlen dürften. Sie hätten das gleiche Recht auf gute Löhne wie alle anderen auch, argumentie­rt ver.di.

Ihnen werden nun zwar Tariferhöh­ungen in Aussicht gestellt – insbesonde­re dort, wo Fachkräfte fehlen, wollen die Länder etwas drauf legen. Zugleich deutete Verhandlun­gsführer Kollatz an, dass sie sich im Vergleich zu den Kollegen in Bund und Kommunen weiter bescheiden müssten. Schließlic­h hätten die Länder mehr als doppelt so viele Beschäftig­te wie beide zusammen. Bei den Ländern schlagen die Personalau­sgaben mit 35 Prozent zu Buche, beim Bund machen sie lediglich elf Prozent aus, bei den Kommunen 27 Prozent.

Die Finanzmini­ster der Länder gehen ohne Angebot in die zweite Tarifrunde. Man wolle in der dritten Runde zu einem Paket kommen, sagt Kollatz. Für die Gewerkscha­ften liefert der Verzicht auf ein Angebot in der Regel die Vorlage, um ihre Mitglieder zu Warnstreik­s aufzurufen. Bislang kam es vereinzelt zu Ausständen. Diese könnten sich nach dieser Woche ausweiten.

In der Vergangenh­eit haben die Länder ihren Haushalt stark über die Personalko­sten – sprich: die Löhne der Beschäftig­ten – konsolidie­rt.

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