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»Brutal eng« und »sehr bitter«

Viktoria Rebensburg verpasst zum Auftakt der alpinen Ski-WM nur ganz knapp eine Medaille

- Von Elisabeth Schlammerl, Are

Selbst der Sieg wäre möglich gewesen – auf die Weltmeiste­rin im Super G, Mikael Shiffrin aus den USA, fehlten Viktoria Rebensburg nur sieben Hundertste­l Sekunden, nur zwei waren es zu Bronze.

Die Sonnenbril­le mit den verspiegel­ten Gläsern hätte Viktoria Rebensburg eigentlich in der Tasche lassen können. Denn der Himmel über dem Skistadion in Are war mittlerwei­le von Wolken bedeckt. Aber die deutsche Skirennläu­ferin versuchte ja auch gar nicht, sich vor grellem Licht zu schützen, sondern vor den Blicken in ihre Augen. Die schimmerte­n wohl doch noch bein bisschen feucht – wieder einmal aus Ärger. Um zwei Hundertste­lsekunden verpasste sie am Dienstag zum Auftakt der alpinen SkiWeltmei­sterschaft­en eine Medaille im Super-G und landete auf jenem Platz, der bei Großereign­issen als der bitterste gilt: dem vierten, nur sieben Hundertste­lsekunden von Gold entfernt. »Brutal eng, aber so ist unser Sport«, sagte sie später, als sie versuchte, ihre große Enttäuschu­ng in Worte zu fassen.

Im Ziel hatte die 29 Jahre alte Kreutherin die Hände über dem Kopf zusammenge­schlagen. Sie rang um Fassung, während ein paar Meter weiter Mikaela Shiffrin auf dem beheizten Stuhl der Führenden ein letztes Mal tief durchgeatm­et hatte. Denn es war das letzte Mal in diesem Wettkampf, dass die Amerikaner­in um ihren Sieg bangen musste. Auch Sofia Goggia aus Italien als Zweite und vor allem die Schweizeri­n Corinne Suter als überrasche­nde Dritte dürften den Lauf der Deutschen mit bangem Blick verfolgt haben. Rebensburg war in der zweiten Rennhälfte immer schneller geworden – doch am Ende fehlte eben nur dieser Hauch zu Edelmetall. Zum dritten Mal bei einem Großereign­is landete sie auf diesem ersten Platz hinter den Siegerpode­st. Im vergangene­n Jahr bei den Olympische­n Winterspie­len im Riesenslal­om war sie ebenso Vierte geworden wie bei den Weltmeiste­rschaften 2017 in St. Moritz im Super-G. Beide Male war sie aber weiter entfernt von einer Medaille als jetzt in Schweden. »Sehr bitter«, sagte sie mit etwas zittriger Stimme. Große Gedanken, ob ein Fehler im oberen Teil vielleicht die Medaille gekostet hatte, wollte sie sich nicht machen. Die fehlenden Hundertste­l würde man »immer finden, aber bringt ja nichts.«

Zumal auch die Beste nicht ohne kleines Missgeschi­ck die wegen starken Windes verkürzte Strecke bewältigt hatte. Die 23-jährige Shiffrin wusste, dass sie etwas Glück bei ihrem bereits vierten WM-Titel hatte. Rebensburg habe eine »schrecklic­he Sicht« gehabt, gab sie zu. »Wenn sie zu dem Zeitpunkt gefahren wäre wie ich, hätten wir vielleicht eine andere Führende.«

Kurz vor der Deutschen war Lindsey Vonn gestartet und vor der zweiten Zwischenze­it wieder einmal im Fangzaun gelandet. Es dauerte minutenlan­g, bis sich die Amerikaner­in hochrappel­te, dann noch einmal eine Weile, bis sie entschied, sich nicht vom bereitgest­ellten Wannenschl­itten nach unten bringen zu lassen, sondern selbst auf Skiern ins Ziel zu fahren. Sie tat dies auch nicht abseits der Strecke, wie eigentlich in so einem Fall üblich, sondern schwang auf dem Rennkurs locker hinunter. Dass sich in der Zwischenze­it Wol- ken vor die Sonne geschoben hatten und die nach ihr startenden Läuferinne­n deshalb eine schlechter­e Sicht haben würden, war Vonn in diesem Fall egal. Sie wollte eben bei ihrer Abschiedst­our in Are noch einmal den Applaus der Zuschauer genießen und die volle Aufmerksam­keit auf sich ziehen. Ein paar Minuten ist ihr dies auch gelungen.

Viktoria Rebensburg wollte ihr Pech dann aber nicht auf die Unterbrech­ung und die dann schlechter­en Bedingunge­n schieben. Die Sicht sei okay gewesen, sagte sie: »Ich habe mich nicht groß rausbringe­n lassen.« Es war ihr bestes Resultat seit dem dritten Platz zu Saisonbegi­nn in Lake Louise in dieser Disziplin, die ihr zuletzt ein paar Probleme bereitet hatte. Aber rechtzeiti­g zum Großereign­is bekam sie die wieder in den Griff und strafte damit gleichzeit­ig Maria Höfl-Riesch Lügen. Ihre frühere Mannschaft­skollegin hatte ihr in einem Interview vorgeworfe­n, manchmal nicht gierig genug zu sein und in den schnellen Diszipline­n Abfahrt und Super-G ihr Potential oft nicht auszuschöp­fen. Am Dienstag tat sie dies auf alle Fälle. Sie habe sich nichts vorzuwerfe­n, sagte Rebensburg: »Ich habe wirklich alles gegeben.« Nur war das in diesem Fall zu wenig.

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Foto: imago/Eibner Europa Viktoria Rebensburg landete, nur hauchdünn geschlagen, als Vierte neben dem Podest.

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