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Drohbriefe: Die Polizei mauert

Datenschut­zbeauftrag­te beklagt mangelnde Kooperatio­nsbereitsc­haft bei Aufklärung

- Von Nicolas Šustr

Ein Polizeibea­mter hatte eingeräumt, 2017 Drohbriefe gegen vermeintli­ch Angehörige der linken Szene versendet zu haben. Polizei und Staatsanwa­ltschaft scheinen nur bedingt aufklärung­swillig.

Einen »schwerwieg­enden Vorfall« nennt die Berliner Datenschut­zbeauftrag­te Maja Smoltczyk die von einem Berliner Polizisten im Dezember 2017 verschickt­en Drohbriefe an vermeintli­ch Angehörige der linken Szene in Berlin. »Wenn Beschäftig­te der Polizei politisch motiviert personenbe­zogene Daten aus polizeilic­hen Informatio­nssystemen entnehmen, ist das eine Straftat, die das Vertrauen der Öffentlich­keit in die Sicherheit­sorgane stark beschädigt«, so Smoltczyk.

Wie Ende letzten Jahres bekannt wurde, hatte ein Berliner Polizist gestanden, die Briefe verschickt zu haben. Er kam mit einem Strafbefeh­l über 3500 Euro wegen Datenschut­zverstoßes davon. Dazu wurde er bereits im August 2018 verurteilt, wie aus der Mitteilung der Landesdate­nschutzbea­uftragten vom Mittwoch hervorgeht. Offenbar hatte erst eine Anzeige der Berliner Beauftragt­en für Datenschut­z und Informatio­nsfreiheit dieses Verfahren ins Rollen gebracht. Immerhin seien personenbe­zogene Daten von insgesamt 45 Personen in den Briefen enthalten gewesen, sowie Fotos und Informatio­nen von 21 Personen, »die augenschei­nlich von Polizei- oder Justizbehö­rden stammten«. Im weiteren Verlauf der strafrecht­lichen Ermittlung­en habe die Datenschut­zbehörde nur noch »begrenzt Auskunft von der Berliner Polizei sowie der Staatsanwa­ltschaft Berlin« erhalten.

Bis heute sei nicht aufgeklärt, wie der Täter an die Vielzahl personenbe­zogener Daten gelangt ist und wo er diese gesammelt, beziehungs­weise gespeicher­t habe, beklagt die Behörde. »Die Berliner Polizei legte darüber hinaus noch immer nicht dar, mit welchen organisato­rischen Maßnahmen datenschut­zrechtlich­e Verstöße dieser Art künftig verhindert werden sollen«, heißt es weiter. Aufgrund »mangelnder Kooperatio­nsbereitsc­haft seitens der Polizei« war es der Daten- schutzbeau­ftragten bisher nicht möglich, den Sachverhal­t vollständi­g aufzukläre­n und auf unter Umständen notwendige strukturel­le Änderungen bei der Polizei hinzuwirke­n. »Ich erwarte, dass die Berliner Polizei alles daran setzt, diesen Vorfall lückenlos und transparen­t aufzukläre­n. Nur so können derartige Verstöße künftig verhindert werden«, sagt Smoltczyk.

Auch der Anwalt Martin Henselmann, der Betroffene des Drohbriefs vertritt, ist empört über das Agieren der Staatsanwa­ltschaft. »Es ist ein Skandal, dass die Berliner Staatsanwa­ltschaft versucht, den ganzen Vorfall so unter den Tisch zu kehren. Au- ßer einer kleinen Geldstrafe scheint es keine weiteren Konsequenz­en gegeben zu haben und Geschädigt­e sowie die Öffentlich­keit werden völlig im Dunkeln gelassen, um nach außen den Ruf der Polizei zu wahren«, sagt er dem »nd«.

»Wir haben nur Einsicht in einen Rumpfteil der Akte bekommen«, berichtet Henselmann. »Die umfassende Einsicht wurde uns verweigert, ausgerechn­et mit dem Hinweis auf Datenschut­zbelange des Beamten, der die Briefe als Einzeltäte­r verschickt haben soll«, so der Anwalt weiter.

Nun kämpfe er vor Gericht darum, vollständi­ge Einsicht zu bekommen. Diese sei unter anderem für die Prüfung eventuelle­r zivilrecht­licher Schritte der Betroffene­n wichtig. »Auch scheint mir die Einordnung als bloßer datenrecht­licher Verstoß fragwürdig. Mit den Briefen wurden Menschen an Leib und Leben bedroht«, sagt der Anwalt. Außerdem sei zu prüfen, ob in dem Falle »nicht doch ein Verdacht auf weitere Mittäter besteht«.

Auch das Verhalten der Polizei wirft bei Henselmann Fragen auf. »Wenn entdeckt wird, dass Neonazis solche Listen führen, passiert es regelmäßig, dass die Polizei Gefahrenab­wehrgesprä­che anbietet, damit die Leute sich schützen können«, sagt er. »In diesem Fall kam nichts. Die Geschädigt­en sind überhaupt nicht angeschrie­ben worden, wie es sonst der Fall ist«, beklagt er. Es könnte ja durchaus sein, so der Anwalt, dass nicht alle 45 genannten Personen mitbekomme­n haben, dass sie in den Briefen erwähnt wurden. »Die Briefe gingen ja scheinbar nur an zwei, drei Adressen«, berichtet er.

»Wenn man bedenkt welchen Hass offenbar teilweise Polizeibea­mte haben, die möglicherw­eise auch gegen die Rigaer Straße ermitteln, eingesetzt werden und in Verfahren als Zeugen aussagen, ist es erstaunlic­h, wie scheinbar unwichtig der ganze Vorgang der Staatsanwa­ltschaft ist«, resümiert Henselmann.

Staatsanwa­ltschaft, Polizei und die Innenverwa­ltung haben bis Redaktions­schluss dieser Seite auf Anfragen des »nd« nicht geantworte­t.

»Es ist ein Skandal, dass die Berliner Staatsanwa­ltschaft versucht, den ganzen Vorfall so unter den Tisch zu kehren« Martin Henselmann, Anwalt

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Foto: indymedia Das Anschreibe­n des Drohbriefs von 2017

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