Biathlon auf Expansionskurs
Neue Märkte durch Weltcups in Kanada und den USA
Temperaturen bis zu minus 20 Grad, dazu der eisige Wind und eine unterkühlte Atmosphäre am Streckenrand: Die Vorzeichen für den Biathlonweltcup in Canmore lösen bei Arnd Peiffer nur wenig Begeisterung aus. Der SprintOlympiasieger hätte sich die Reise nach Übersee deshalb allzu gerne erspart – zumal ihm die Terminierung gar nicht gefällt. »Das ist sehr unglücklich, das direkt vor der WM einzustreuen«, sagt Peiffer mit Blick auf die Rennen ab Donnerstag in Kanada und Soldier Hollow in den USA die Woche darauf. Auf die Reiserei habe ohnehin »niemand so richtig Bock«, meint der 31-Jährige, »und viele Leute werden da auch nicht sein. Das interessiert dort doch keinen.« Genau das will der Weltverband IBU aber ändern.
Die Wettkämpfe in Nordamerika sind Teil einer Expansionsstrategie, durch die endlich neue Märkte außerhalb Europas er-
»Viele Leute werden da auch nicht sein. Das interessiert dort doch keinen.« Biathlet Arnd Peiffer über den Weltcup in Canmore
schlossen werden sollen. Die IBU habe schließlich die Aufgabe, »den Sport durch Veranstaltungen auch in anderen Regionen wachsen zu lassen«, heißt es in einer Mitteilung. Und weiter: »Nordamerika ist ein Wintersportkontinent, den wir nicht außer Acht lassen dürfen.«
Die Sportler sind angesichts der Minusgrade dick eingemummelt, sie beklebten ihr Gesicht mit wärmenden Pflastern. Sollte die Kälte anhalten, stehen sogar Rennabsagen (obligatorisch ab minus 20 Grad) im Raum. Bei Temperaturen von minus 15 Grad entscheidet die Jury über den Start – die Staffeln wurden bereits von Sonnabend auf Freitag vorverlegt. Die IBU hofft natürlich auf Wettkämpfe, denn Biathlon scheint in den USA und Kanada allmählich Gefallen zu finden. Dank der Sportler, die in den vergangenen Jahren bei Großevents immer wieder Medaillen gewonnen haben, stieg die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit ein wenig an. Erstmals in der Geschichte des Sports verpflichtete sich der Sender NBC auf der Grundlage eines Vierjahresvertrags dazu, alle Rennen der Saison auszustrahlen.
Was zunächst einmal gut klingt, hat allerdings mehrere Haken: Die Wettkampfzeiten sind immer noch auf den europäischen Markt ausgerichtet. Um 10.00 Uhr morgens werden sich nur wenige Amerikaner das Spektakel im Fernsehen anschauen können, geschweige denn an der Strecke aufkreuzen. Außerdem geht aus dem Terminkalender der IBU hervor, dass bis mindestens 2022 keine weiteren Rennen in Nordamerika stattfinden werden.
»Dass man da Riesenmärkte erschließt, das wage ich zu bezweifeln«, meint Peiffer, der aber »grundsätzlich versteht, dass die IBU ihren Radius erweitern will«. Weniger kritisch beurteilt Teamkollege Erik Lesser die Situation – er freut sich sogar »extrem« auf die zwei Wochen. »Es heißt ja Weltcup und nicht Europacup, daher ist das eine super Sache«, sagt der 30-Jährige, der sich mit Wohlwollen an die letzten Austragungen in Nordamerika 2016 erinnert. »Das war schön, weil dich dort niemand gekannt hat und man in Ruhe joggen konnte.«
Von den Stars haben nur Frankreichs Martin Fourcade und der Deutsche Simon Schempp auf die Reise verzichtet – um ihre Formschwäche mit Blick auf die WM im März beheben wollen. Ansonsten steht das Beste am Start, was der Biathlon zu bieten hat.