Die Aussichten: extremer
Laut UN-Meteorologieorganisation brachen Jahre 2015 bis 2018 Temperaturrekorde
Genf. Die vergangenen vier Jahre waren nach Angaben der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen vor fast 170 Jahren. 2018 sei das viertwärmste Jahr gewesen, teilte die UNSonderorganisation am Mittwoch mit. Die durchschnittliche Oberflächentemperatur habe 1,0 Grad Celsius über dem Mittel der vorindustriellen Zeit (1850-1900) gelegen.
»Die Erwärmung in den vergangenen vier Jahren war außergewöhnlich, sowohl an Land als auch im Ozean«, sagte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. Dabei lagen die Jahre 2015 und 2017 etwa 1,1 Grad über dem Mit- tel. Den Rekord hält nach WMO-Angaben das Jahr 2016 mit einem Plus von 1,2 Grad über dem vorindustriellen Mittel. In dem Jahr beobachteten Meteorologen einen ungewöhnlich starken El-Niño-Effekt, einem alle paar Jahre auftauchenden Wetterphänomen, welches das Wetter in weiten Teilen der Erde beeinflusst.
Die WMO sieht in den Wärmerekorden »ein klares Anzeichen für den anhaltenden langfristigen Klimawandel, der verbunden ist mit Rekordkonzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre«. Weit wichtiger als einzelne Jahre sei der Langzeittrend, so Taalas. Auch hier ist die Entwicklung eindeutig: Die 20 wärmsten Jahre lagen in den vergangenen 22 Jahren. der WMO-Chef fordert, die Reduzierung der Treibhausgase und Klimaanpassungsmaßnahmen müsse weltweit Priorität haben. »Viele Länder und Millionen Menschen haben 2018 extreme Wetterlagen erlebt, mit verheerenden Folgen für Wirtschaft und Ökosystem.«
Auch 2019 zeigt bereits massive Extremwetterereignisse, insbesondere in Australien: Einige Landesteile leiden unter Dürre, Temperaturen bis 49 Grad und Buschbränden. Im Nordosten führten dagegen ungewöhnlich heftige Monsunregen zu Überschwemmungen und Erdrutschen.
Mindestens ein Drittel der Gletscher im Gebirgssystem von Hindukusch und Himalaya wird infolge steigender Temperaturen abschmelzen, warnen Forscher. Es könnten auch noch mehr werden.
Der Gangotri ist einer der größten Gletscher im Himalaya und eine wichtige Wasserquelle für Indiens zweitlängsten Fluss, den Ganges. Messungen zeigen, dass der Gletscher in Umfang und Eisdicke abnimmt. Das Problem ist weitreichend: Wenn die Erhitzung des Planeten fortschreitet, wird bis zum Ende des Jahrhunderts mindestens ein Drittel der Hindukusch-HimalayaGletscher verloren gehen, warnt das Internationale Zentrum für Integrierte Entwicklung in Bergregionen (ICIMOD) mit Sitz in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu in einem gerade veröffentlichten Bericht.
Nach Antarktis und Arktis lagern im Himalaya und den umliegenden Gebirgen die größten Eisvorräte des Planeten. Die Eismassen, die auch als »dritter Pol« bezeichnet werden, speisen die wichtigsten Flüsse Asiens und sichern die Wasservorsorgung von über 1,9 Milliarden Menschen. Das Abschmelzen der Gletscher würde die Frischwasserversorgung von vielen Millionen Menschen gefährden sowie die Region und deren Ökosysteme stark verändern.
Obwohl das Himalaya-Gebirgssystem, dessen höchste Erhebungen als »Dach der Welt« bezeichnet werden, als besonders anfällig für den Klimawandel gilt, war die Forschungslage zu den Auswirkungen des Klimawandels bisher sehr dünn. Das sollte der jetzt vorgelegte Bericht ändern. Mehr als 200 Wissenschaftler haben über fünf Jahre die Auswirkungen des Klimawandels in Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, China, Indien, Myanmar, Nepal und Pakistan untersucht, weitere 140 Forscher haben die Ergebnisse überprüft.
Ihr Resümee: Die Temperaturen in den zentralasiatischen Gebirgen werden deutlich stärker ansteigen als im globalen Mittel. Wenn es gelingt, die Erderwärmung – wie im Pariser Klimaabkommen angestrebt – bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, dürfte der Temperaturanstieg in der Hindukusch-Himalaya-Region laut den Prognosen der Forscher mindestens 1,8 Grad betragen. Wenn man den nordwestlichen Himalaya und das Karakorum-Gebirge mit einbezieht, werden es sogar 2,2 Grad mehr sein. Unter diesen Bedingungen würde ein Drittel der Gletscher abschmelzen. Noch deutlich größer wird der Ver- lust sein, wenn das ambitionierte 1,5Grad-Ziel nicht erreicht wird, wonach es derzeit aussieht. So wird die Hälfte des Himalaya-Eises verloren gehen, wenn es der Menschheit zumindest gelingt, die Erderwärmung bis 2100 auf zwei Grad Celsius im globalen Mittel zu begrenzen. Wird der weltweite Treibhausgasausstoß gar nicht gestoppt, könnten sogar zwei Drittel der Eismassen im Himalaya verschwinden, warnen die Wissenschaftler.
»Das ist die Klimakrise, von der Sie noch nie gehört haben«, sagt Philippus Wester, der am ICIMOD die Arbeiten an dem Bericht leitend betreut hat. »Die globale Erwärmung ist dabei, die kalten, mit Gletschern bedeckten Gipfel der Hindukusch-Himalaya-Region, die sich über acht Länder erstreckt, in etwas weniger als einem Jahrhundert in nackte Felsen zu verwandeln«, warnt der Wasserexperte.
Als weitere Folgen des Klimawandels im Himalaya nennt der Bericht stärkere Luftverschmutzung, die Zunahme extremer Wetterereignisse und das Verschwinden von Arten in vier der weltweit größten BiodiversitätHotspots, die in der Region liegen. Und nicht nur das: Die meisten Länder rund um das 3500 Kilometer lange Gebirgsmassiv sind ausgesprochen trocken und auf das Wasser aus dem Himalaya angewiesen, der auch als »Wasserturm Asiens« bezeichnet wird. Kontinuierlich fließt Schmelzwasser der Gletscher über Seen und Flüsse ab. Wenn sich Zeitpunkt und Größe des Abflusses verändern, können Gletscherseen über die Ufer treten und Überschwemmungen an den Flüssen nach sich ziehen.
Die Forscher rechnen mit deutlich größeren Wassermassen, die künftig durch die Flüsse strömen werden. Das wird massive Konsequenzen für die städtischen Wassersysteme haben und die Produktion von Energie und Lebensmitteln aus dem Takt bringen. Daher drohen Nahrungskrisen, die die ärmsten Bevölkerungsschichten am härtesten treffen werden. Schon heute lebt etwa ein Drittel der 250 Millionen Bergbewohner von weniger als 1,90 US-Dollar am Tag. Mehr als 30 Prozent der Menschen in der Hindukusch-Himalaya-Region haben nicht genug zu essen.
Der Region, warnen die Forscher, stehen harte Zeiten bevor: Bis 2080 könnten sich die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bedingungen stark verschlechtern. Deshalb könnten soziale Konflikte in der Region leicht entflammen – es sei denn, die Regierungen der Welt arbeiten zusammen, um die Gletscherschmelze und ihre Auswirkungen doch noch zu begrenzen.