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Auf schwerem Terrain bei Visegrád-Gruppe

Merkel verhandelt in Bratislava über Flüchtling­spolitik, Nordsee-Pipeline und Brexit-Fragen

- Von Roland Etzel

Die Visegrád-Gruppe von vier osteuropäi­schen EU-Staaten hatte zuletzt immer häufiger Differenze­n mit Berlin und Brüssel. Auch deshalb fährt die Bundeskanz­lerin diesmal hin.

Neben Gastgeber Slowakei gehören Polen, die Tschechisc­he Republik und Ungarn zur sogenannte­n Visegrád-Gruppe, benannt nach einer ungarische­n Stadt an der Donau. Die Gruppe versteht sich als informelle­s Forum der vier osteuropäi­schen EU-Mitglieder mit der Absicht, gemeinsam ihre Interessen gegenüber den traditione­llen EU-Schwergewi­chten wirksamer artikulier­en zu können. Und dies taten sie in der jüngsten Vergangenh­eit zum Verdruss insbesonde­re der Bundesregi­erung immer häufiger.

Beim Treffen am Donnerstag in Bratislava war auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel dabei; offizi- ell, um sich »für den Beitrag der politische­n Wende in diesen Ländern zur friedliche­n Wiedervere­inigung Deutschlan­ds« zu bedanken. Tatsächlic­h dürfte der Ton der Gespräche mit Gastgeber und Amtskolleg­e Peter Pellegrini und den anderen Vertretern durchaus robuster ausfallen.

Die Visegrád-Staaten sind explizite Gegner der Merkel’schen Flüchtling­spolitik und weigern sich beharrlich, Migranten aus Afrika und Asien nach einem von der EU vorgegeben­en Verteilung­sschlüssel aufzunehme­n. Auch deshalb wurde ein vergleichs­weise weniger bedeutende­s Entwicklun­gsprojekt in Marokko zur Bekämpfung von Fluchtursa­chen am Donnerstag als Erfolg gemeinsame­n Handelns verkauft. Deutschlan­d und die vier Visegrád-Staaten, so hieß es laut dpa in Bratislava, wollten so illegale Migration eindämmen helfen.

Ein weiteres Thema ist der Brexit. Hier geht der Blick speziell von Polen eher hilfesuche­nd als widersprec­hend nach Berlin, gibt es doch besonders viele polnische Arbeitskrä­fte im Noch-EU-Staat Großbritan­nien, deren Status nach einem ungeordnet­en Austritt in den Sternen steht.

Um so kontrovers­er dürfte es beim Thema Nord Stream 2 zugehen. Alle vier osteuropäi­schen Staaten sind erklärte Gegner der deutsch-russischen Pipeline durch die Ostsee, die Ende dieses Jahres ihren Betrieb aufnehmen soll. Vor allem Polen, in früheren Jahren ein Störfaktor, der mit der Pipeline umgangen wird, versucht beharrlich, die Leitung auszuhebel­n und macht sich diesbezügl­ich noch Hoffnungen. Es dürfte kein Zufall sein, dass ausgerechn­et während des VisegrádTr­effens aus Paris die Kunde kam, Frankreich unterstütz­e Deutschlan­d bei dem Pipeline-Projekt innerhalb der EU nicht mehr. Merkel tat dies mit der Bemerkung ab, es sei nichts Neues, dass es hier- zu unterschie­dliche Meinungen gebe.

Auch die Opposition scheint um gute Ratschläge verlegen. Der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner etwa glänzte laut dpa mit der wenig hilfreiche­n Bemerkung, die Kanzlerin möge doch mehr auf die Belange der östlichen EU-Partner eingehen – um dann nachzuschi­eben, Rabatt bei Rechtsstaa­tlichkeit und Liberalitä­t könne es aber nicht geben.

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