Alles neue in Ägypten muss pyramidal sein
Der Staatschef in Kairo gefällt sich zunehmend in größenwahnsinnigen Bauprojekten
Während viele Ägypter kaum über die Runden kommen, macht Staatschef Sisi immer wieder mit Großprojekten von sich reden. Doch obwohl die Vorhaben teils absurd anmuten: Dahinter steckt Kalkül.
Regierungschef Mostafa Madbuly sah sichtlich stolz aus, als er einem Team des ägyptischen Fernsehens vor einigen Wochen die neueste Errungenschaft der Regierung präsentierte: Nur 80 Stunden habe es gedauert, berichtete er, dann sei das Fundament fertig gewesen, die Basis für einen 390 Meter hohen Büroturm, der nach seiner Fertigstellung das höchste Gebäude in Afrika sein soll; damit das auch möglichst lange so bleibt, hatte man den chinesischen Investor dazu gedrängt, noch ein paar Geschosse oben drauf zu setzen. Denn zwar ist das derzeit höchste Gebäude Afrikas, das Carlton Center in Johannesburg nur 223 Meter hoch. Doch in mehreren afrikanischen Ländern plant man ebenfalls Wolkenkratzer, und Mitarbeiter der Regierung lassen keinen Zweifel daran, dass man den »Iconic Tower« nicht etwa baut, weil ihn wirklich jemand braucht, sondern weil man ganz oben mitmischen will, was jeder sehen soll. Und auch, weil die chinesische Regierung dafür Milliarden ins Land pumpt, und die kann man gut gebrauchen.
Um genau zu sein, ist nicht nur der Turm von unklarem Mehrwert, son- dern auch das ganze Drumherum: Denn gebaut wird nicht etwa in Kairo oder Alexandria, sondern in einer Einöde 45 Kilometer östlich von Kairo: Dort entsteht derzeit eine komplett neue Hauptstadt, die einmal die Größe von Detroit haben soll. Eine Moschee und eine christliche Kathedrale sind bereits fertig; natürlich sind es die größten ihrer Art in ganz Afrika und dem Nahen Osten.
Wenn die Regierung derzeit ein Projekt angeht, dann muss es das Größte seiner Art sein, und wenn es bisher nichts Vergleichbares gibt, dann muss es wenigstens am schnellsten gehen: Schon kurz nach der Machtübernahme von Abdelfattah al-Sisi wurde auf sein Geheiß hin eine zweite Fahrrinne für den Suez- kanal gebaut, innerhalb eines einzigen Jahres. Stadtplaner und Wirtschaftsexperten kritisieren viele dieser Projekte als praktisch nutzlos; das Geld, so heißt es immer wieder, solle man besser in den Ausbau der maroden Infrastruktur in den gewachsenen Städten investieren.
Denn die größte Gefahr für die Präsidentschaft Sisis sind nicht etwa Unruhen, sondern das Militär, das in der ägyptischen Gesellschaft eine sehr spezielle Rolle einnimmt: Die Öffentlichkeit steht weitgehend treu ergeben hinter den Streitkräften, die zudem auch einen großen Teil der Wirtschaft kontrollieren. Sisi stammt zwar aus der Generalität. Doch das Verhältnis zwischen ihm und der Militärführung ist konfliktbeladen: Es geht dabei vor allem um die Übergabe der beiden Inseln Tiran und Sanafir im Roten Meer an Saudi-Arabien; offen hatte sich der Generalstab damals dagegen ausgesprochen.
Die Großprojekte sorgen also dafür, dass zumindest die Unternehmen des Militärs trotz Wirtschaftskrise gut dastehen; gleichzeitig nutzt die Regierung die Projekte auch immer wieder dazu, um öffentlich den Schulterschluss zwischen Politik und Militär zu demonstrieren. Damit punktet Sisi gleichzeitig bei den gut 35 Prozent der Wähler, die ihn in Wahlen unterstützen: Leute aus dem Bürgertum, die sich in den chaotischen Jahren seit 2011 zunehmend einen »starken Mann« zurück gesehnt hatten.
Das Ägyptische Museum in Berlin soll mit anderen Häusern eine »völlig neue Vision« für das Ägyptische Museum in Kairo entwickeln.