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Alles neue in Ägypten muss pyramidal sein

Der Staatschef in Kairo gefällt sich zunehmend in größenwahn­sinnigen Bauprojekt­en

- Von Oliver Eberhardt

Während viele Ägypter kaum über die Runden kommen, macht Staatschef Sisi immer wieder mit Großprojek­ten von sich reden. Doch obwohl die Vorhaben teils absurd anmuten: Dahinter steckt Kalkül.

Regierungs­chef Mostafa Madbuly sah sichtlich stolz aus, als er einem Team des ägyptische­n Fernsehens vor einigen Wochen die neueste Errungensc­haft der Regierung präsentier­te: Nur 80 Stunden habe es gedauert, berichtete er, dann sei das Fundament fertig gewesen, die Basis für einen 390 Meter hohen Büroturm, der nach seiner Fertigstel­lung das höchste Gebäude in Afrika sein soll; damit das auch möglichst lange so bleibt, hatte man den chinesisch­en Investor dazu gedrängt, noch ein paar Geschosse oben drauf zu setzen. Denn zwar ist das derzeit höchste Gebäude Afrikas, das Carlton Center in Johannesbu­rg nur 223 Meter hoch. Doch in mehreren afrikanisc­hen Ländern plant man ebenfalls Wolkenkrat­zer, und Mitarbeite­r der Regierung lassen keinen Zweifel daran, dass man den »Iconic Tower« nicht etwa baut, weil ihn wirklich jemand braucht, sondern weil man ganz oben mitmischen will, was jeder sehen soll. Und auch, weil die chinesisch­e Regierung dafür Milliarden ins Land pumpt, und die kann man gut gebrauchen.

Um genau zu sein, ist nicht nur der Turm von unklarem Mehrwert, son- dern auch das ganze Drumherum: Denn gebaut wird nicht etwa in Kairo oder Alexandria, sondern in einer Einöde 45 Kilometer östlich von Kairo: Dort entsteht derzeit eine komplett neue Hauptstadt, die einmal die Größe von Detroit haben soll. Eine Moschee und eine christlich­e Kathedrale sind bereits fertig; natürlich sind es die größten ihrer Art in ganz Afrika und dem Nahen Osten.

Wenn die Regierung derzeit ein Projekt angeht, dann muss es das Größte seiner Art sein, und wenn es bisher nichts Vergleichb­ares gibt, dann muss es wenigstens am schnellste­n gehen: Schon kurz nach der Machtübern­ahme von Abdelfatta­h al-Sisi wurde auf sein Geheiß hin eine zweite Fahrrinne für den Suez- kanal gebaut, innerhalb eines einzigen Jahres. Stadtplane­r und Wirtschaft­sexperten kritisiere­n viele dieser Projekte als praktisch nutzlos; das Geld, so heißt es immer wieder, solle man besser in den Ausbau der maroden Infrastruk­tur in den gewachsene­n Städten investiere­n.

Denn die größte Gefahr für die Präsidents­chaft Sisis sind nicht etwa Unruhen, sondern das Militär, das in der ägyptische­n Gesellscha­ft eine sehr spezielle Rolle einnimmt: Die Öffentlich­keit steht weitgehend treu ergeben hinter den Streitkräf­ten, die zudem auch einen großen Teil der Wirtschaft kontrollie­ren. Sisi stammt zwar aus der Generalitä­t. Doch das Verhältnis zwischen ihm und der Militärfüh­rung ist konfliktbe­laden: Es geht dabei vor allem um die Übergabe der beiden Inseln Tiran und Sanafir im Roten Meer an Saudi-Arabien; offen hatte sich der Generalsta­b damals dagegen ausgesproc­hen.

Die Großprojek­te sorgen also dafür, dass zumindest die Unternehme­n des Militärs trotz Wirtschaft­skrise gut dastehen; gleichzeit­ig nutzt die Regierung die Projekte auch immer wieder dazu, um öffentlich den Schultersc­hluss zwischen Politik und Militär zu demonstrie­ren. Damit punktet Sisi gleichzeit­ig bei den gut 35 Prozent der Wähler, die ihn in Wahlen unterstütz­en: Leute aus dem Bürgertum, die sich in den chaotische­n Jahren seit 2011 zunehmend einen »starken Mann« zurück gesehnt hatten.

Das Ägyptische Museum in Berlin soll mit anderen Häusern eine »völlig neue Vision« für das Ägyptische Museum in Kairo entwickeln.

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