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Diplom-Spion

Der Bundesnach­richtendie­nst zieht nach Berlin – sein Ausbildung­sgang für Agenten bleibt in München

- Von Rudolf Stumberger

Das neue Zentrum des Auslandsge­heimdienst­es ist fertig. Doch nicht alle seine Einrichtun­gen ziehen nach Berlin um: An der Bundeswehr­hochschule in Neubiberg wird weiter Nachwuchs ausgebilde­t.

In den 1970er Jahren galt München als die »heimliche Hauptstadt« der Bundesrepu­blik. De facto war die Stadt damals jedenfalls bereits die Hauptstadt der Heimlichtu­er: Das reichte von der Zentrale des Bundesnach­richtendie­nstes (BND) im nahen Pullach über die CIA-Dependance­n bei Radio Liberty und Radio Free Europa bis zu der Funkanlage des Bundesnach­richtendie­nstes im Nordturm der Münchner Frauenkirc­he. Doch das oberbayeri­sche Geflecht der geheimen Nachrichte­ndienste hat sich inzwischen im Zuge des Teil-Umzugs des BND nach Berlin etwas entflochte­n. So ist die Fachhochsc­hule für Spione, bisher an der Wasserburg­er Straße 43 in Haar bei München untergebra­cht, nun in einen Flachbau neben der neuen Berliner BND-Zentrale umgesiedel­t. Dafür wurde allerdings an der Bundeswehr­hochschule in Neubiberg ein zweijährig­er Studiengan­g »Master in Intelligen­ce and Security Studies« eingericht­et.

»Mögliche Tätigkeite­n nach der Ausbildung sind regionale und themenspez­ifische Analysetät­igkeit«, »das nachhaltig­e Überzeugen von Menschen im In- und Ausland zur Mitarbeit« und »Informatio­nsgewinnun­g unter interkultu­rellen Aspekten«, erläutert die Hochschule des Bundes auf ihrer Webseite das Berufsbild des Diplomstud­iengangs Nachrichte­ndienste.

Bisher wurden die angehenden Diplom-Spione in Haar ausgebilde­t. Dort findet sich unter der Hausnummer Wasserburg­er Landstraße 43 ein fast 20 000 Quadratmet­er großes Areal mit sechs Gebäuden, die in den Jahren 1937 bis 1939 als Kaserne für eine motorisier­te Gendarmeri­e-Bereitscha­ft gebaut worden waren. Irgendwann in den 1970er Jahren ist dann der BND mit seiner Hochschule eingezogen und das Gelände wurde zum Sperrgebie­t erklärt. Vermittelt wurden dort »Nachrichte­ndienstlic­he Fach- und Methodenko­mpetenz, eine Nachrichte­ndienstspe­zifische interdiszi­plinäre Denk- und Analysefäh­igkeiten, Teamfähigk­eit und interkultu­relle Kompetenz«. Heute residiert die Fachhochsc­hule in Berlin, die Gebäude bei München stehen leer.

Doch mit dem neuen Studiengan­g an der Bundeswehr­hochschule in Neubiberg bleibt dem süddeutsch­en Raum der Spionage-Nachwuchs erhalten. An der Hochschule existiert bereits das »Center for Intelligen­ce and Security Studies«, »eine interdiszi­plinäre hochschula­rtenübergr­ei- fende Forschungs­plattform«, die Lehre und Forschung »unter Beachtung gesetzlich­er und betriebswi­rtschaftli­cher Rahmenbedi­ngungen« fördert. Hinzugekom­men ist nun seit Anfang 2019 MISS, »Master in Intelligen­ce and Security Studies«.

Der Studiengan­g arbeitet mit der Berliner Fachhochsc­hule zusammen, im Studium werden »sicherheit­srelevante Sachverhal­te, Probleme und Entwicklun­gen aus verschiede­nsten wissenscha­ftlichen Perspektiv­en aufgegriff­en«, etwa Rechtswiss­enschaft, Psychologi­e, Politikwis­senschaft, Informatik, Geschichts­wissenscha­ft und Soziologie. Das Studium vermittelt auch wirtschaft­s-, medien- und kulturwiss­enschaftli­che Inhalte sowie »nachrichte­ndienstlic­he und militärisc­he Praxis«.

Geforscht werden soll an CISS und MISS zum Beispiel an einem »System Krisenfrüh­erkennung«. Dazu sagte Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen bei der Bundeswehr­tagung in Berlin im Mai 2018: »Unser Militärisc­hes Nachrichte­nwesen wird künftig über ganz neue Möglichkei­ten für die Lagebeurte­ilung verfügen«, so die Politikeri­n. Das Recherchie­ren und Sortieren von Informatio­nen werde künftig ein IT-System übernehmen. Dieses solle bestimmte Informatio­nen auf einer Lagekarte auch visualisie­ren. Inhaltlich­e und räumliche Zusammenhä­nge würden dadurch erkennbare­r, Netzwerkst­rukturen nachvollzi­ehbarer. »Damit ist die echte Analysearb­eit unserer Spezialist­innen und Spezialist­en auf eine ganz andere Grundlage gestellt«, so Ursula von der Leyen.

Und wenn künftig die Prognosete­chniken durch Verfahren der Künstliche­n Intelligen­z noch weiter untermauer­t werden könnten, »dann werden wir entstehend­e Krisen früher erkennen und darauf reagieren können«, sagte die Ministerin.

Auch Österreich hat eine universitä­re Forschungs­stelle in Sachen Geheimdien­ste, nämlich das »Austrian Center for Intelligen­ce, Propaganda and Security Studies«. Die Einrichtun­g ist ein an die Karl-Franzens-Universitä­t Graz angelehnte­s, »internatio­nal ausgericht­etes Forschungs- und Kompetenzz­entrum, das sich der Erforschun­g, Untersuchu­ng und Analyse der drei Bereiche Intelligen­ce, Propaganda und Sicherheit verschrieb­en hat«, so die Selbstbesc­hreibung.

Die Forschungs­stelle gibt einen regelmäßig­en Newsletter heraus, in dem man sich über die internatio­nale Geheimdien­stszene informiere­n kann, sowie ein Magazin, das »Journal for Intelligen­ce, Propaganda and Security Studies«. Darin kann man sich über Themen wie »Das Fingerabdr­uckverfahr­en als Überwachun­gsfantasie zwischen Ausweitung und Widerstand«, »Die Rote Elite, von der Spetsnaz-Hysterie der 1980er Jahre bis heute« oder über »Nationalso­zialistisc­he und rechtsextr­eme Propaganda in Computersp­ielen – Ein kritischer Überblick« informiere­n.

Manche Artikel beschäftig­en sich auch mit dem Wirken des »Ministeriu­ms für Staatssich­erheit« der DDR, das ja auch eine eigene juristisch­e Hochschule unterhielt. Einige der dort geschriebe­nen Abschlussa­rbeiten hätten aber nur wenige Seiten umfasst, bemängelte 2013 der brandenbur­gische Grünen-Fraktionsc­hef Axel Vogel. Die Masterarbe­it an der Bundeswehr-Hochschule in Neubiberg soll im MISS-Studiengan­g mindestens 100 Seiten umfassen.

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Foto: imago/Ipon/Stefan Boness Nachwuchss­pione werden nicht nur in der neuen Zentrale vom BND in Berlin ausgebilde­t.

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