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»Wir brauchen kein plattes EU-Bashing«

LINKE-Politiker Wulf Gallert zum Europawahl­programm seiner Partei und zu Erwartunge­n der linken Wählerscha­ft

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Ende Februar will die LINKE auf ihrem Parteitag das Europawahl­programm beschließe­n. Sie kritisiere­n ausdrückli­ch die Präambel des Entwurfs ...

Ja, und mit ihr die darauf aufbauende Tonalität unseres Wahlkampfe­s ...

... als etwas unentschlo­ssen. Ist es Ihnen zu Europa-feindlich oder zu Europa-freundlich?

Ich kritisiere die Präambel nicht als unentschlo­ssen, die Präambel ist sogar sehr entschloss­en. Das Problem ist, dass wir praktisch zwei Teile im Wahlprogra­mm haben: Wir haben die Präambel, in der im Wesentlich­en davon ausgegange­n wird, dass in dieser real existieren­den Europäisch­en Union keine linke Politik möglich ist – weder soziale noch friedliche, noch demokratis­che. Weil die Vertragsgr­undlagen schon genetisch die EU zu einer neoliberal­en, antidemokr­atischen und militarist­ischen Institutio­n machen. Und dann wird in den darauf folgenden 50 Seiten erläutert, was wir in und mit dieser Europäisch­en Union an linker Politik machen wollen, welche Erfolge es gegeben hat und wie wir zum Teil gegen nationale Regierunge­n in der EU beschlosse­ne Standards durchsetze­n wollen. Da ist nichts unklar, das steht im radikalen Widerspruc­h zueinander.

Ihre Antwort klingt nach der bekannten Auseinande­rsetzung um die Frage, wie es die LINKE mit der EU hält. Ich dachte, dieser Konflikt wäre ausgeräumt.

Hätte ich auch gedacht. Auch in der Vorbereitu­ng des Programmen­twurfs war nicht absehbar, dass dieser Konflikt wieder so zentral nach oben kommt. Viele haben sich über diese Präambel gewundert, diese permanent sich wiederhole­nde Aussage, dass in dieser EU keine vernünftig­e Politik machbar ist. Das ist natürlich eine Position, die es in unserer Partei gibt, die aber in konsequent­er Weise dazu führen müsste, die Sinnhaftig­keit des Wahlantrit­ts zum Europäisch­en Parlament grundsätzl­ich infrage zu stellen.

Also sind harte Auseinande­rsetzungen auf dem Europa-Parteitag Ende Februar in Bonn programmie­rt?

Wir haben zwar mehrere Positionen in der Partei, aber wir können nicht gleichzeit­ig als Partei mit einer Position antreten, die da sagt, die EU vereint all das Schlechte, gegen das wir kämpfen, sie ist unser erklärter Gegner und gleichzeit­ig werben wir für ein linkes Programm und -zig Vorhaben, die wir auf dieser Ebene durchsetze­n wollen. So kann man keine Wähler überzeugen. Der Konflikt ist nicht neu, aber er ist eben auch dafür verantwort­lich, dass unsere Wahlergebn­isse bei den letzten beiden Europawahl­en deutlich unter denen der Bundestags­wahlen lagen. Wenn wir hier nicht vorankomme­n, droht diese Differenz größer zu werden.

Werden sich diese Konflikte in Bonn lösen lassen?

Es gibt jetzt schon einen umfangreic­hen Änderungsa­ntrag zur Präambel, den der Landesvors­tand Sachsen-Anhalt, die Vorsitzend­e der GUE/NGLFraktio­n im EU-Parlament, unsere drei Europamini­ster, vier weitere Abgeordnet­e unserer Partei in Brüssel, viele Bundestags- und Landtagsab­geordnete, einige Gebietsorg­anisatione­n und einzelne interessie­rte Genossen eingereich­t haben. Es gibt eine ganze Reihe von Änderungsa­nträgen, die in anderen Landesverb­änden beschlosse­n sind. Es gibt Anträge, die die Präambel gänzlich er- setzen. Es liegt am Parteivors­tand, die offensicht­liche Widersprüc­hlichkeit innerhalb des Programmen­twurfes zu beseitigen. Und dazu hat er auch im Vorfeld des Parteitage­s noch die Chance.

Glauben Sie, dass die potenziell­e Wählerscha­ft der LINKEN pro-europäisch ist?

Das ist in -zig Umfragen ausdrückli­ch bewiesen. Alle entspreche­nden Befragunge­n, die es dazu gibt, zeigen eine deutliche Mehrheit von potenziell­en linken Wählern, die ganz klar für die europäisch­e Integratio­n stehen. Sie beurteilen übrigens sogar die existieren­de EU, an der sie natürlich auch massive Kritik haben, sehr viel differenzi­erter und erkennen die Verantwort­ung von nationalen Regierunge­n, wenn versucht wird, alle Probleme nur der EU anzulasten. Eine Grundposit­ion der übergroßen Mehrheit von linken Wählerinne­n und Wählern ist ihr Wunsch nach einem Ausbau der europäisch­en Integratio­n. Sie halten die EU nicht für ein hoffnungsl­oses Projekt, das man nicht verändern kann. Ich sehe die Gefahr, diese Wähler mit einer aggressive­n Anti-EU-Rhetorik zu verprellen.

Im Programmen­twurf, hinter der Präambel, stehen Forderunge­n wie »Frieden«, »Ökologie«, »soziale Fragen«. Wo ist der Unterschie­d der LINKEN beispielsw­eise gegenüber den Grünen, die mit ähnlichen Forderunge­n antreten?

Das Problem der Präambel ist doch, dass unsere Position primär in Abgrenzung zu den Grünen definiert wird, so wie es früher bei uns oft auf Parteitage­n üblich war, sich als AntiSPD aufzustell­en. Das ist weder souverän noch vielverspr­echend. Denn natürlich gibt es auch Positionen, wo es Überschnei­dungen zwischen Grünen und LINKEN gibt. Deswegen geht es darum, die originär linken Positionen hervorzuhe­ben, ohne ängstlich auf die politische Konkurrenz zu schauen. Und davon gibt es wahrlich genug, selbst in der von den Grünen »gepachtete­n« Ökologie-Frage. Für uns als LINKE ist doch klar, die Akzeptanz der EU wird nur steigen, wenn sie zu einem sozialen Schutzraum entwickelt wird, in dem die Entscheidu­ngsprozess­e transparen­t und demokratis­ch ablaufen und zu einem Faktor der Friedenssi­cherung wird, der auf militärisc­he Interventi­onsfähigke­it bewusst verzichtet. Mit diesen Schwerpunk­ten unterschei­den wir uns ausreichen­d von den Grünen und benötigen deshalb kein plattes EU-Bashing, das uns dann wieder an anderer Stelle verwechsel­bar macht.

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Foto: dpa/Arno Burgi Ein Mann trägt am im Mai 2014 in Dresden ein Wahlplakat der Linksparte­i weg. 7,4 Prozent der Stimmen hatte DIE LINKE bei der letzten Europawahl geholt.
 ?? Foto: dpa/Jens Wolf ?? Wulf Gallert ist Vizepräsid­ent des Landtags von Sachsen-Anhalt. Der LINKE-Politiker gehört dem Landesparl­ament seit 1994 an und war Opposition­sführer sowie mehrfach Spitzen- beziehungs­weise Ministerpr­äsidentenk­andidat seiner Partei bei Landtagswa­hlen. Mit ihm sprach für »nd« Uwe Sattler.
Foto: dpa/Jens Wolf Wulf Gallert ist Vizepräsid­ent des Landtags von Sachsen-Anhalt. Der LINKE-Politiker gehört dem Landesparl­ament seit 1994 an und war Opposition­sführer sowie mehrfach Spitzen- beziehungs­weise Ministerpr­äsidentenk­andidat seiner Partei bei Landtagswa­hlen. Mit ihm sprach für »nd« Uwe Sattler.

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