Corbyn bietet Kompromiss für Brexit an
Britische Premierministerin May scheitert in Brüssel
Theresa May hat zwar bei ihren Gesprächen in Brüssel am Donnerstag nichts erreicht, aber Jeremy Corbyn bietet ihr ein Kompromissmodell mit sanften Brexit-Bedingungen an. Ein Ausweg für die bedrängte Premierministerin?
Nach Donald Tusks scharfen Worten gegen Brexit-Anhänger ohne eigene Austrittspläne sowie wütenden Schlagzeilen gegen den Ratspräsidenten in der konservativen Presse war Mays erneutes Scheitern keine Überraschung. Der von May bisher angestrebte Unterhaussieg mit Hilfe der BrexitFanatiker in ihrer Fraktion ist damit fast gestorben: Jacob Rees Mogg und seine Kolleg*innen lehnen schon Mays bisherigen Deal mit der EU als Ausverkauf britischer Interessen ab, weitere Kompromisse kommen für Tusks »Höllenverdammte« nicht in Frage.
Interessanter ist jedoch das Signal des Labour-Chefs Jeremy Corbyn, der einen parlamentarischen Konsens mit May anstrebt. Er schlägt die britische Mitgliedschaft in einer Zollunion und eine enge Anlehnung an den EUBinnenmarkt vor, durch gemeinsame Institutionen mit der EU-27 verankert. Ferner fordert Corbyn Schutz für bisher durch die EU garantierte Arbeitnehmerrechte
Corbyns Plan entschärft durch die Zollunion die strittige Frage der inneririschen Grenze.
und verlangt, dass zukünftige Normen, etwa im Bereich Umweltschutz oder Verbraucherrecht, nicht hinter denen der EU zurückfallen dürften. Großbritannien sollte weiterhin an EUProgrammen teilnehmen dürfen – er denkt dabei wohl an das Studierendenprogramm Erasmus Plus, das schon heute auch Nichtmitgliedsländern offen steht – und will im Sicherheitsbereich auch eine Fortsetzung des Abkommens über den EU-Haftbefehl für sein Land. Fazit: Der Oppositionsführer bietet May die Möglichkeit eines geordneten Brexit zu relativ sanften Bedingungen.
Der Plan entschärft durch die Zollunion die strittige Frage der inneririschen Grenze und nimmt zu den »Scheidungszahlungen« Großbritanniens nicht Stellung, sondern zielt auf die noch nicht endgültig beschlossene »Politische Austrittserklärung«. Von Seiten der EU ist damit wenig Widerstand zu erwarten, auch Brüssel sucht lieber Kooperation als Konfrontation. Eine in Zusammenarbeit mit der Opposition ausgearbeitete Regierungsvorlage hätte im Unterhaus zumindest bessere Karten als der bisher von May angestrebte Kompromiss mit den eigenen unersättlichen Brexit-Extremisten .
Da liegt aber der Haken. May wird schwerlich auf das LabourAngebot eingehen, denn das würde den Riss quer durch ihre Partei zur unüberwindbaren Kluft machen – und bisher hat sie im Zweifelsfall immer als Parteipolitikerin, nie im nationalen Interesse entschieden. Aber auch Labour ist in der Brexit-Frage uneins. Labours stellvertretender Brexit-Sprecher Matthew Pennycook behauptet standfest, bei einer Ablehnung des Corbyn-Plans durch die Konservativen sei eine weitere Volksabstimmung zur Abwendung des ChaosBrexits notwendig. Aber Referendums-Anhänger wie Chuka Umunna oder Ben Bradshaw fürchten, dass der Parteichef eigenen Brexit-Ideen nachgibt und die Ratifizierung oder Ablehnung durch die Wähler mit Hilfe des neuen Plans unmöglich machen will.