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An den Problemen vorbei

Die GEW kritisiert die Qualitätso­ffensive von Bildungsse­natorin Scheeres als unzulängli­ch

- Von Jérôme Lombard

Die Berliner Bildungspo­litik sucht händeringe­nd nach Möglichkei­ten, um den eklatanten Pädagogenm­angel in den Griff zu bekommen. Die Lehrergewe­rkschaft GEW setzt auf bessere Arbeitsbed­ingungen.

Zu unkonkret, zu realitätsf­ern, nicht richtig zu Ende gedacht: Die Pädagogeng­ewerkschaf­t GEW ist mit der von Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) angekündig­ten Offensive für mehr Schulquali­tät nicht zufrieden.

»Die von der Senatorin angedachte­n Maßnahmen wirken wie ein Schnellsch­uss und werden die Arbeitsbed­ingungen an Berlins Schulen nicht nachhaltig verbessern«, sagte der Berliner GEW-Chef Tom Erdmann am Donnerstag. Bei einer Pressekonf­erenz im Gewerkscha­ftshauptqu­artier in der Schöneberg­er Ahornstraß­e stellten die Lehrervert­reter ein eigenes Konzeptpap­ier zur Steigerung der Schulquali­tät in der Hauptstadt vor.

»Um den Mangel an Fachkräfte­n wirksam zu beheben, müssen die Arbeitsbed­ingungen an den Schulen attraktive­r gemacht werden«, konstatier­te der GEW-Chef. Daher schlägt die Gewerkscha­ft konkret mehr Geld für Referendar­e vor. So müsse es eine Anhebung der Bezüge im Vorbereitu­ngsdienst in Höhe von mindestens 300 Euro pro Monat geben. Momentan verdient etwa ein angehender Grundschul­lehrer im Referendar­iat 1350 Euro brutto.

Auch sei es entscheide­nd, die Schulklass­engrößen zu senken. »Derzeit beobachten wir einen deutlichen Anstieg der Klassen- und Gruppengrö­ßen«, sagte Erdmann. Mit dieser Maßnahme versuche die Bildungsve­rwaltung, dem Mangel an Lehrern und Unterricht­sräumen Herr zu werden. »Die individuel­le Zuwendung der Pädagogen für die Schüler bleibt dadurch aber auf der Strecke.« Um das Arbeitskli­ma für Lehrer erträglich zu halten, dürften an den Grundschul­en nicht mehr als 22 Schüler in einer Klasse sein. Für die Jahrgangss­tufe sieben soll das Limit bei 24 liegen, darüber bei maximal 27 Schülern.

Ende Januar hatte die Bildungsse­natorin ihre Eckpunkte für die Weiterentw­icklung der Leistungsq­ualität vorgelegt. Ein Fokus lag dabei auf den Fächern Deutsch und Mathematik. Da Berlins Schüler in bundesweit­en Vergleiche­n vor allem in diesen beiden Fächern schlecht abgeschnit­ten hatten, sollen Grundschül­er eine Wochenstun­de mehr Deutschunt­erricht bekommen. Dafür sollen in einem ersten Schritt 90 zusätzlich­e Lehrer eingestell­t werden. Im Bereich Mathematik will Scheeres mehr Fortbildun­gen für Lehrer und neue Unterricht­smateriali­en. Während die GEW die Fortbildun­gen in Mathematik be- grüßt, sieht sie die zusätzlich­e Deutschstu­nde als problemati­sch. »Wir finden mehr Deutschunt­erricht ja grundsätzl­ich sinnvoll«, sagte Erdmann. »Angesichts der miserablen Personalsi­tuation an vielen Schulen fürchten wir, dass die eine Stunde mehr zu Lasten der informelle­n Bildung in der Ganztagsbe­treuung gehen wird.«

Trotz des chronische­n Lehrermang­els in Berlin hatte Scheeres erklärt, dass personelle Ressourcen für die zusätzlich­e Deutschstu­nde vorhanden seien. Dabei schaut die Bildungsse­natorin vor allem auf die Willkommen­sklassen-Lehrer, die geflüchtet­e Kinder in Deutsch unterricht­en. Wenn die Schüler ausreichen­de Sprachkenn­tnisse hätten und in Regelklass­en wechseln könnten, würden diese Lehrer verfügbar. Diese Rechnung sieht die GEW kritisch. »Statt gezielt Schüler mit Sprachförd­erbedarf zu unterstütz­en, wird nun im Gießkannen­prinzip Deutschunt­erricht für alle vorgesehen,« monierte Erdmann.

Um den Weggang von Lehrern aus Berlin zu stoppen, hatte Scheeres auch ins Spiel gebracht, die 2004 abgeschaff­te Verbeamtun­g wiedereinz­uführen. Derzeit prüft der Senat diese Möglichkei­t »ergebnisof­fen«. Die GEW ist von der Debatte irritiert. »Wir glauben nicht, dass die Rückkehr zur Verbeamtun­g die Probleme löst«, so Erdmann. In der kommenden Woche könnten die angestellt­en Lehrer im Fokus stehen. Für den Fall, dass es keine Einigung bei den Tarifverha­ndlungen für den öffentlich­en Dienst gibt, droht die GEW mit Warnstreik­s.

 ?? Foto: Christian Soeder/dpa ?? Schlechte Noten für Scheeres: Die GEW sieht die Schulquali­tätsoffens­ive der Senatorin kritisch.
Foto: Christian Soeder/dpa Schlechte Noten für Scheeres: Die GEW sieht die Schulquali­tätsoffens­ive der Senatorin kritisch.

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