An den Problemen vorbei
Die GEW kritisiert die Qualitätsoffensive von Bildungssenatorin Scheeres als unzulänglich
Die Berliner Bildungspolitik sucht händeringend nach Möglichkeiten, um den eklatanten Pädagogenmangel in den Griff zu bekommen. Die Lehrergewerkschaft GEW setzt auf bessere Arbeitsbedingungen.
Zu unkonkret, zu realitätsfern, nicht richtig zu Ende gedacht: Die Pädagogengewerkschaft GEW ist mit der von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) angekündigten Offensive für mehr Schulqualität nicht zufrieden.
»Die von der Senatorin angedachten Maßnahmen wirken wie ein Schnellschuss und werden die Arbeitsbedingungen an Berlins Schulen nicht nachhaltig verbessern«, sagte der Berliner GEW-Chef Tom Erdmann am Donnerstag. Bei einer Pressekonferenz im Gewerkschaftshauptquartier in der Schöneberger Ahornstraße stellten die Lehrervertreter ein eigenes Konzeptpapier zur Steigerung der Schulqualität in der Hauptstadt vor.
»Um den Mangel an Fachkräften wirksam zu beheben, müssen die Arbeitsbedingungen an den Schulen attraktiver gemacht werden«, konstatierte der GEW-Chef. Daher schlägt die Gewerkschaft konkret mehr Geld für Referendare vor. So müsse es eine Anhebung der Bezüge im Vorbereitungsdienst in Höhe von mindestens 300 Euro pro Monat geben. Momentan verdient etwa ein angehender Grundschullehrer im Referendariat 1350 Euro brutto.
Auch sei es entscheidend, die Schulklassengrößen zu senken. »Derzeit beobachten wir einen deutlichen Anstieg der Klassen- und Gruppengrößen«, sagte Erdmann. Mit dieser Maßnahme versuche die Bildungsverwaltung, dem Mangel an Lehrern und Unterrichtsräumen Herr zu werden. »Die individuelle Zuwendung der Pädagogen für die Schüler bleibt dadurch aber auf der Strecke.« Um das Arbeitsklima für Lehrer erträglich zu halten, dürften an den Grundschulen nicht mehr als 22 Schüler in einer Klasse sein. Für die Jahrgangsstufe sieben soll das Limit bei 24 liegen, darüber bei maximal 27 Schülern.
Ende Januar hatte die Bildungssenatorin ihre Eckpunkte für die Weiterentwicklung der Leistungsqualität vorgelegt. Ein Fokus lag dabei auf den Fächern Deutsch und Mathematik. Da Berlins Schüler in bundesweiten Vergleichen vor allem in diesen beiden Fächern schlecht abgeschnitten hatten, sollen Grundschüler eine Wochenstunde mehr Deutschunterricht bekommen. Dafür sollen in einem ersten Schritt 90 zusätzliche Lehrer eingestellt werden. Im Bereich Mathematik will Scheeres mehr Fortbildungen für Lehrer und neue Unterrichtsmaterialien. Während die GEW die Fortbildungen in Mathematik be- grüßt, sieht sie die zusätzliche Deutschstunde als problematisch. »Wir finden mehr Deutschunterricht ja grundsätzlich sinnvoll«, sagte Erdmann. »Angesichts der miserablen Personalsituation an vielen Schulen fürchten wir, dass die eine Stunde mehr zu Lasten der informellen Bildung in der Ganztagsbetreuung gehen wird.«
Trotz des chronischen Lehrermangels in Berlin hatte Scheeres erklärt, dass personelle Ressourcen für die zusätzliche Deutschstunde vorhanden seien. Dabei schaut die Bildungssenatorin vor allem auf die Willkommensklassen-Lehrer, die geflüchtete Kinder in Deutsch unterrichten. Wenn die Schüler ausreichende Sprachkenntnisse hätten und in Regelklassen wechseln könnten, würden diese Lehrer verfügbar. Diese Rechnung sieht die GEW kritisch. »Statt gezielt Schüler mit Sprachförderbedarf zu unterstützen, wird nun im Gießkannenprinzip Deutschunterricht für alle vorgesehen,« monierte Erdmann.
Um den Weggang von Lehrern aus Berlin zu stoppen, hatte Scheeres auch ins Spiel gebracht, die 2004 abgeschaffte Verbeamtung wiedereinzuführen. Derzeit prüft der Senat diese Möglichkeit »ergebnisoffen«. Die GEW ist von der Debatte irritiert. »Wir glauben nicht, dass die Rückkehr zur Verbeamtung die Probleme löst«, so Erdmann. In der kommenden Woche könnten die angestellten Lehrer im Fokus stehen. Für den Fall, dass es keine Einigung bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst gibt, droht die GEW mit Warnstreiks.