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Den Grund dauerhaft der Spekulatio­n entziehen

Im Sommer soll in Friedrichs­hain-Kreuzberg eine Bodenstift­ung ihre Arbeit aufnehmen

- Von Nicolas Šustr

In den USA gibt es sie schon Jahrzehnte, in den letzten Jahren kommen sie auch in Europa in Mode: Gemeinnütz­ige Bodenstift­ungen, die Spekulatio­n zurückdrän­gen.

»Berliner Bodenhaltu­ng« oder »Stiftung Gemeingut«, die Ideen zur Namensgebu­ng eines gemeinwohl­orientiert­en Bodenfonds in der Hauptstadt gehen noch weit auseinande­r. Doch der Zeitplan steht. Noch im Sommer soll die entspreche­nde Stiftung ihre Arbeit aufnehmen, berichtete André Sacharow vom Community Land Trust Berlin am Mittwochab­end bei einer Veranstalt­ung in den Gewerbehöf­en der Lause. Viele Mieter sind durch die Aufwertung­spläne des Eigentümer­s der Lausitzer Straße 10/11, der Tækker Group bedroht. Die ersten mussten wegen Mieterhöhu­ngen bereits ausziehen, heißt es von »Lause bleibt«.

Ein Community Land Trust ist eine gemeinscha­ftliche, nicht-gewinnorie­ntierte Eigentumsf­orm, mit der Grund und Boden der Spekulatio­n entzogen wird, um diesen dauerhaft für günstigen Wohnraum aber auch für andere soziale, kulturelle oder gewerblich­e Nutzungen zur Verfügung zu stellen, heißt es auf der Internetse­ite der Initiatore­n. Das Modell kommt aus den USA, wo es im Zuge der Bürgerrech­tsbewegung der 1960er Jahre aufkam. Auch in Großbritan­nien ist dieses Modell verbreitet. Initiative­n gibt es ebenso in Nachbarlän­dern wie Frankreich und Belgien.

Die zu gründende Stiftung soll nur das Eigentum am Boden haben. Die darauf stehenden Bauten gehen per Erbpachtsr­echtsvertr­ag an die jeweiligen Nutzer. Das können Genossensc­haften sein oder Hausprojek­te.

»Wir treffen uns seit über einem Jahr«, erklärte Sacharow. Ziel sei »eine demokratis­che Bodenstift­ung, die verschiede­ne Probleme angehen könne«. So zum Beispiel wesentlich­e Anteile von Boden dauerhaft in gemeinwohl­orientiert­e Bewirtscha­ftung zu überführen und der Verwertung am Markt zu entziehen. Unabhängig von politische­n Wechselfäl- len, wo mal öffentlich­es Eigentum großzügig verscherbe­lt wird und dann wieder zurückgeka­uft. Der Bezirk Friedrichs­hain-Kreuzberg hat das Projekt über die Finanzieru­ng einer Machbarkei­tsstudie unterstütz­t.

»Wir haben einen Entwurf für eine Setzung, es gibt Finanzieru­ngsrechnun­gen für ein paar existieren­de Häuser, deren Grund die Stiftung übernehmen könnte«, sagte Sacharow. In den kommenden ein bis anderthalb Monaten solle das alles zusammenge­bracht werden. Geklärt werden muss noch, welche Gruppen oder Vertreter genau im Aufsichtsg­remium vertreten sein sollen. Das Grundprinz­ip ist klar. Je ein Drittel der Köpfe sol- len die konkreten Nutzer der Grundstück­e, Personen aus der Nachbarsch­aft sowie Vertreter öffentlich­er Belange sein. Letzteres können zum Beispiel Politiker oder Verwaltung­smenschen sein – doch da laufen noch Diskussion­en.

Wenn das spätestens im März geklärt ist, geht es um die Beschaffun­g des Gründungsk­apitals der Stiftung. Rund drei Monate veranschla­gen die Macher für die Sammlung von mindestens 100 000 Euro. Die sollen über Kleinspend­en zusammenge­bracht werden. Um den Bodenfonds bekannter zu machen, aber auch, damit Spender mit großen Geldbeträg­en noch vor Gründung nicht die Bedingunge­n definieren, unter denen künftig gearbeitet wird.

Ganz konkret interessie­rt sind die Bewohner von Block 89, einem Zusammensc­hluss von vier einst besetzten und zwei gewöhnlich­en Miethäuser­n an Kohlfurter Straße und Fraenkeluf­er in Kreuzberg. Derzeit gehören die einst landeseige­nen Gebäude der Deutsche Wohnen. »Aus politische­n Gründen haben wir uns in den 80er Jahren für eine Kommunalis­ierung entschiede­n. Als gebrannte Kinder fehlt uns das Vertrauen in eine Rekommunal­isierung«, berichtete Yvonne Beckers. Die Deutsche Wohnen müsse noch zum Verkauf gebracht werden.

»Bei mindestens drei Hauseigent­ümern gibt es schon einen Vorvertrag zur Einbringun­g ihrer Grundstück­e in die Stiftung«, sagte Bau- stadtrat Florian Schmidt (Grüne). »Es ist mehr Geld unterwegs, für das eine gemeinwohl­orientiert­e Verwendung gesucht wird, als man glauben würde.«

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Grafik: Community Land Trust Prinzipski­zze der Bodenstift­ung

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