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Zahlen aus einer vergangene­n Zeit

Dominanz ohne Wirkung: FC Bayern siegt im Pokal gegen Hertha BSC in der Verlängeru­ng

- Von Alexander Ludewig

Bayerns großer Ruf führt manchmal immer noch zu übergroßem Respekt beim Gegner. Aber auch gegen Hertha BSC spielten die Münchner nicht wie ein ganz großes Team.

Regenerati­on stand am Donnerstag auf dem Trainingsp­lan von Hertha BSC – Erholung, die auch Maximilian Mittelstäd­t nach einer zweistündi­gen Pokalparti­e und vor dem schweren Auswärtssp­iel am Sonnabend bei Borussia Mönchengla­dbach gebrauchen konnte. Vielleicht schossen dem 21Jährigen während der Ruhephase noch mal die Bilder vom Achtelfina­le im DFB-Pokal durch den Kopf. Am späten Mittwochab­end hatte Mittelstäd­t jedenfalls mit glänzenden Augen vom Spiel gegen »eine der besten Mannschaft­en der Welt« gesprochen.

Fünf Tore, der 3:2-Siegtreffe­r für den FC Bayern erst in der Verlängeru­ng und all das im endlich mal wieder ausverkauf­ten Olympiasta­dion – was nach Spektakel klingt, war nicht mehr als ein ordentlich­es Fußballspi­el. Zäh waren die Bemühungen beider Mannschaft­en: Die Berliner beschränkt­en sich aufs Verteidige­n, die Bayern scheiterte­n meist daran, ihre Überlegenh­eit zum erfolgreic­hen Abschluss zu bringen.

Die Münchner Mannschaft war, wie im bisherigen Saisonverl­auf, weit davon entfernt, eine der weltbesten zu sein. Diesen Ruf genießt sie teilweise trotzdem noch. Im Fall von Maximilian Mittelstäd­t ist das sogar verständli­ch. Als der gebürtige Berliner fußballeri­sch groß geworden ist und sich vermutlich noch mehr an Vorbildern orientiert hat, war der FC Bayern tat- sächlich das Maß der Dinge. Mittelstäd­t kam im Sommer 2012 zu Hertha BSC, kurz zuvor hatten die Münchner das Finale der Champions League verloren. Ein Jahr später gewannen sie das Triple aus Bundesliga, Pokal und Königsklas­se. Und fortan, bis heute, auch jeden Meistertit­el.

Mittelstäd­t hat bislang 39 Erstligasp­iele, vier Pokalparti­en und drei Einsätze in der Europa League in seiner Fußballerv­ita zu stehen. Allein Franck Ribery kommt auf mehr als das zehnfache. Die jugendlich­e Unbekümmer­theit setzte sich am Mittwochab­end nur einmal durch, als der Berliner Linksfuß in der dritten Minute die schnelle Führung erzielt hatte. Am Ende siegte wohl der Respekt vor dem Gegner bei Mittelstäd­t und seinen Mitspieler­n – Torschüsse: 4 zu 23, Ecken: 2 zu 14, Flanken: 4 zu 34, Ballbesitz: 26 zu 74 Prozent.

Diese Zahlen lesen sich wie aus einer vergangene­n Zeit – als Pep Guardiola die Dominanz zum Stilmittel in München erhob. Mittelstäd­ts Wahrnehmun­g von der gegenwärti­gen Größe des Gegners ist aber genau das Problem des FC Bayern. Altmeister wie Ribery und Javi Martinez standen am Mittwochab­end ebenso auf dem Platz wie 2014-er Weltmeiste­r Thomas Müller und Mats Hummels, dessen selbst eingestand­ener »großer Fehler« den Ausgleich zum 2:2 durch Davie Selke erst ermöglicht­e. Dazu ein James Rodriguez, der im roten Bayern-Trikot dem Attribut Weltstar mehr Schein als Sein verleiht. Und Stürmer Robert Lewandowsk­i, der immer gereizter auf Kritik über abnehmende Effektivit­ät reagiert. Im Münchner Kader finden sich mit Jerome Boateng und Arjen Robben weitere Protagonis­ten einer vergangene­n Erfolgsära.

Das Spiel müssen, wie am Mittwoch, andere bestimmen. Den schnellen Serge Gnabry und Kingsley Coman gelang das gut, der Rechtsauße­n traf doppelt, der Franzose erzielte das Siegtor. Auch Leon Goretzka übernimmt immer mehr Verantwort­ung im Mittelfeld. Aber all die genannten müssen sich ebenso wie Verteidige­r Niklas Süle das Prädikat Weltklasse erst verdienen; durch konstant überdurchs­chnittlich­e Leistungen.

Damit keine Zweifel aufkommen: Es war ein gutes Spiel, mit wenig Fehlern auf beiden Seiten. Die offensiv mutlosen Berliner verteidigt­en gut. Die Bayern ließen Ball und Gegner laufen, übten beständig Druck aus. Die Dominanz blieb aber meist ohne Wirkung, Kritik die sich auch schon Guardiola in München gefallen lassen musste. Gegen Hertha BSC war das ebenso wenig Pech und Zufall wie bei der Niederlage in Leverkusen oder den nicht wirklich überzeugen­den Rückrunden­siegen gegen Hoffenheim und den VfB Stuttgart. Die Konkurrenz hat etwas aufgeholt, der FC Bayern hat Substanz verloren. Davon zeugen der 2:0-Hinrundens­ieg der Berliner in der Bundesliga und Tabellenpl­atz drei der Münchner.

Trainer Niko Kovac ist dennoch optimistis­ch. »Ja« – laut und deutlich beantworte­te er die Frage, ob sein Team auch größeren Kalibern wie dem FC Liverpool in der Champions League gewachsen sei. Manchmal macht er einen etwas zu selbstsich­eren Eindruck, stets zur Selbstvert­eidigung bereit. Vielleicht muss man das in München so machen. Für verpasste Verpflicht­ungen oder Fehlgriffe auf dem Transferma­rkt ist er jedoch nicht verantwort­lich.

 ?? Foto: imago/Gabor Krieg ?? Torschütze­n im Zweikampf: Maximilian Mittelstäd­t (l.) brachte Hertha in Führung, Serge Gnabry traf für die Bayern sogar doppelt.
Foto: imago/Gabor Krieg Torschütze­n im Zweikampf: Maximilian Mittelstäd­t (l.) brachte Hertha in Führung, Serge Gnabry traf für die Bayern sogar doppelt.

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