Bauern in Sorge
Verband: EUGAL-Trasse beeinträchtigt in Uckermark Bodenqualität und Ertragsaussichten
Eine Gaspipeline zerfurcht Brandenburger Felder.
Große Pipelines sind uckermärkischen Bauern ein Gräuel. Schon der Trassenbau der Erdgasleitung OPAL 2010 bescherte ihnen Langzeitschäden, nun wird daneben die Leitung für das Folgeprojekt EUGAL verlegt.
Die Europäische Gas-Anbindungsleitung (EUGAL), die derzeit auf einer Länge von 480 Kilometern entsteht, soll Ende 2019 von Lubmin an der Ostsee durch Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg bis Sachsen und weiter bis nach Tschechien führen. Im uckermärkischen Neufeld beginnt der 272 Kilometer lange Brandenburger Abschnitt. Und bevor die Trasse zwischen Crussow und Gellmersdorf den Nationalpark »Unteres Odertal« passiert, um in den Landkreis Märkisch-Oderland zu wechseln, durchpflügt sie Ackerland und Wälder, quert unter anderem die Autobahn A20, das EU-Vogelschutzgebiet Schorfheide-Chorin und die Bahnstrecke Angermünde–Schwedt.
Doch was künftig – wie der Projektträger und künftige Betreiber GASCADE Gastransport betont – die »deutsche und europäische Erdgasversorgung verlässlich stärken« soll, treibt manchem Landwirt in der Uckermark Schweißperlen auf die Stirn. Denn einstweilen hinterlassen die Großgeräte der Erbauer tiefe Spuren auf ihren Feldern und Weiden.
41 Landwirtschaftsbetriebe im Landkreis seien von diesem Großprojekt betroffen, sagte Jürgen Schirmer, Geschäftsführer der Agrarproduktion Grünow, kürzlich beim Jahrespressegespräch des Bauernverbands Uckermark mit Landwirten aus der Region.
»Vom Bau der EUGAL-Trasse sind in der Uckermark immerhin 331 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche betroffen. Unser Unternehmen hat allein rund 30 Hektar zur Verfügung gestellt«, schilderte Schirmer. »Natürlich gibt es einen Schadensausgleich, aber es wird in zwei Strängen gearbeitet, die sich insgesamt 51 Meter breit über unsere Felder ziehen.«
Sorgen bereitet dem Landwirt und den anderen Betroffenen vor allem die enorme Verdichtung des Bodens durch den Einsatz der großen Maschinen. »Die Folgen werden wir noch über Jahrzehnte spüren«, befürchtet er. »Und so lange werden wir wohl auch Gutachter beschäftigen müssen, die uns beim Nachweis helfen.«
Auch Manfred Mesecke, Vorsitzender des Bauernverbandes Uckermark, sind derlei Befürchtungen nicht fremd. Die Uckermark hat wiederholt einschlägige Erfahrungen machen müssen. Die neue Pipeline wird parallel zur Trasse der bereits 2011 in Betrieb gegangenen Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung (OPAL) verlegt, eine der beiden Leitungen, die in Deutschland die Ostseepipeline »Nord Stream« an das bestehende europäische ErdgasFernleitungsnetz anbinden. Als im August 2018 der Planfeststellungsbeschluss für die neue Gasfernleitung EUGAL bereits vorlag, waren längst nicht alle Auseinandersetzungen mit den betroffenen Anliegern beigelegt. In Crussow etwa, einem 600-Einwohner-Dorf östlich von Angermünde, mussten die Projektbetreiber erhebliche Widerstände von Obstbauern, Landbesitzern und dem lokalen Flugplatzbetreiber überwinden.
»Natürlich können wir die Flächen wieder landwirtschaftlich nutzen, wenn die riesigen Rohre im Boden liegen«, sagte Mesecke. Man müsse aber auch wissen, dass die Pflanzen hier bis in zwei Meter Tiefe wurzeln, und dahin müsse das Niederschlagswasser auch vordringen können. »Das Wachstum ist auf lange Zeit wegen des Bodenaustauschs für die Baggerarbeiten beziehungsweise der enormen Bodenverdichtung durch das Gewicht der eingesetzten Maschinen deutlich eingeschränkt.« Es ist nicht nur die Pipeline, die den Bauern Sorgen bereitet. Seit längerem treibt sie das Thema Afrikanische Schweinepest um, auch wenn der Kelch an Deutschland bisher vorbeigegangen ist. »Aber wir sind sozusagen umzingelt von nachgewiesenen Fällen der Afrikanischen Schweinepest«, sagte Achim Wendlandt, Amtstierarzt des Landkreises Uckermark. Man sei im Kreis gut gerüstet für den Fall der Fälle – auch wenn die Seuche für den Menschen direkt ungefährlich ist. So habe man zehn Kilometer Zaun angeschafft, um nach einem etwaigen Ausbruch eine Kernzone absperren zu können. Seine Behörde habe geeignete Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen vorbereitet.
»Die größten Gefahrenpotenziale, die zu einer Einschleppung führen können, sind internationale Tier- transporte, der Jagdtourismus und das Wegwerfen von Essensresten aus Gefahrenländern«, so Wendlandt. In der Uckermark würden vorsorglich keine Genehmigungen für die Freilandhaltung von Schweinen erteilt. Schweinehalter sollten ihre Anlagen wildschweinsicher umzäunen, geltende Infektions- und Seuchenschutzmaßnahmen einhalten. »Erfahrungen aus anderen Ländern haben gezeigt, dass bei Ausbruch der Schweinepest etwa 90 Prozent der Wildschweine sterben. Der Rest müsste gezielt geschossen werden«, sagte Wendlandt.
Ein weiteres Reizthema sind die Dürrehilfen für Landwirte zur Milderung der Verluste nach der Hitze und Trockenheit des Vorjahres. Meist wegen der rigiden Zugangsbeschränkungen hätten nur 98 Agrarbetriebe Dürrehilfe beantragt, berichtete Bauernverbandsgeschäftsführer Friedhelm Rogasch. Das Gesamtvolumen habe bei rund 9,8 Millionen Euro gelegen. Verbandschef Manfred Mesecke ergänzte: »Meines Wissens haben überhaupt erst drei Betriebe aus unserer Region Geld bekommen.« In der Runde war man sich einig: Viel sinnvoller als solche Dürrehilfen wäre die Einführung einer steuerfreien Ausgleichsrücklage für Landwirte in Krisensituationen.
Verbandsangaben zufolge wurden 2018 im Landkreis Uckermark 177 800 Hektar bewirtschaftet. Davon waren 148 400 Hektar Ackerland und 28 800 Hektar Grünland. Auf 48 370 Hektar wurde Winterweizen angebaut, gefolgt von Winterraps und Wintergerste. Rund 4770 Hektar wurden als Stilllegungsflächen ausgewiesen.