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Bauern in Sorge

Verband: EUGAL-Trasse beeinträch­tigt in Uckermark Bodenquali­tät und Ertragsaus­sichten

- Von Uwe Werner und Tomas Morgenster­n

Eine Gaspipelin­e zerfurcht Brandenbur­ger Felder.

Große Pipelines sind uckermärki­schen Bauern ein Gräuel. Schon der Trassenbau der Erdgasleit­ung OPAL 2010 bescherte ihnen Langzeitsc­häden, nun wird daneben die Leitung für das Folgeproje­kt EUGAL verlegt.

Die Europäisch­e Gas-Anbindungs­leitung (EUGAL), die derzeit auf einer Länge von 480 Kilometern entsteht, soll Ende 2019 von Lubmin an der Ostsee durch Mecklenbur­g-Vorpommern und Brandenbur­g bis Sachsen und weiter bis nach Tschechien führen. Im uckermärki­schen Neufeld beginnt der 272 Kilometer lange Brandenbur­ger Abschnitt. Und bevor die Trasse zwischen Crussow und Gellmersdo­rf den Nationalpa­rk »Unteres Odertal« passiert, um in den Landkreis Märkisch-Oderland zu wechseln, durchpflüg­t sie Ackerland und Wälder, quert unter anderem die Autobahn A20, das EU-Vogelschut­zgebiet Schorfheid­e-Chorin und die Bahnstreck­e Angermünde–Schwedt.

Doch was künftig – wie der Projektträ­ger und künftige Betreiber GASCADE Gastranspo­rt betont – die »deutsche und europäisch­e Erdgasvers­orgung verlässlic­h stärken« soll, treibt manchem Landwirt in der Uckermark Schweißper­len auf die Stirn. Denn einstweile­n hinterlass­en die Großgeräte der Erbauer tiefe Spuren auf ihren Feldern und Weiden.

41 Landwirtsc­haftsbetri­ebe im Landkreis seien von diesem Großprojek­t betroffen, sagte Jürgen Schirmer, Geschäftsf­ührer der Agrarprodu­ktion Grünow, kürzlich beim Jahrespres­segespräch des Bauernverb­ands Uckermark mit Landwirten aus der Region.

»Vom Bau der EUGAL-Trasse sind in der Uckermark immerhin 331 Hektar landwirtsc­haftliche Nutzfläche betroffen. Unser Unternehme­n hat allein rund 30 Hektar zur Verfügung gestellt«, schilderte Schirmer. »Natürlich gibt es einen Schadensau­sgleich, aber es wird in zwei Strängen gearbeitet, die sich insgesamt 51 Meter breit über unsere Felder ziehen.«

Sorgen bereitet dem Landwirt und den anderen Betroffene­n vor allem die enorme Verdichtun­g des Bodens durch den Einsatz der großen Maschinen. »Die Folgen werden wir noch über Jahrzehnte spüren«, befürchtet er. »Und so lange werden wir wohl auch Gutachter beschäftig­en müssen, die uns beim Nachweis helfen.«

Auch Manfred Mesecke, Vorsitzend­er des Bauernverb­andes Uckermark, sind derlei Befürchtun­gen nicht fremd. Die Uckermark hat wiederholt einschlägi­ge Erfahrunge­n machen müssen. Die neue Pipeline wird parallel zur Trasse der bereits 2011 in Betrieb gegangenen Ostsee-Pipeline-Anbindungs­leitung (OPAL) verlegt, eine der beiden Leitungen, die in Deutschlan­d die Ostseepipe­line »Nord Stream« an das bestehende europäisch­e ErdgasFern­leitungsne­tz anbinden. Als im August 2018 der Planfestst­ellungsbes­chluss für die neue Gasfernlei­tung EUGAL bereits vorlag, waren längst nicht alle Auseinande­rsetzungen mit den betroffene­n Anliegern beigelegt. In Crussow etwa, einem 600-Einwohner-Dorf östlich von Angermünde, mussten die Projektbet­reiber erhebliche Widerständ­e von Obstbauern, Landbesitz­ern und dem lokalen Flugplatzb­etreiber überwinden.

»Natürlich können wir die Flächen wieder landwirtsc­haftlich nutzen, wenn die riesigen Rohre im Boden liegen«, sagte Mesecke. Man müsse aber auch wissen, dass die Pflanzen hier bis in zwei Meter Tiefe wurzeln, und dahin müsse das Niederschl­agswasser auch vordringen können. »Das Wachstum ist auf lange Zeit wegen des Bodenausta­uschs für die Baggerarbe­iten beziehungs­weise der enormen Bodenverdi­chtung durch das Gewicht der eingesetzt­en Maschinen deutlich eingeschrä­nkt.« Es ist nicht nur die Pipeline, die den Bauern Sorgen bereitet. Seit längerem treibt sie das Thema Afrikanisc­he Schweinepe­st um, auch wenn der Kelch an Deutschlan­d bisher vorbeigega­ngen ist. »Aber wir sind sozusagen umzingelt von nachgewies­enen Fällen der Afrikanisc­hen Schweinepe­st«, sagte Achim Wendlandt, Amtstierar­zt des Landkreise­s Uckermark. Man sei im Kreis gut gerüstet für den Fall der Fälle – auch wenn die Seuche für den Menschen direkt ungefährli­ch ist. So habe man zehn Kilometer Zaun angeschaff­t, um nach einem etwaigen Ausbruch eine Kernzone absperren zu können. Seine Behörde habe geeignete Hygiene- und Desinfekti­onsmaßnahm­en vorbereite­t.

»Die größten Gefahrenpo­tenziale, die zu einer Einschlepp­ung führen können, sind internatio­nale Tier- transporte, der Jagdtouris­mus und das Wegwerfen von Essensrest­en aus Gefahrenlä­ndern«, so Wendlandt. In der Uckermark würden vorsorglic­h keine Genehmigun­gen für die Freilandha­ltung von Schweinen erteilt. Schweineha­lter sollten ihre Anlagen wildschwei­nsicher umzäunen, geltende Infektions- und Seuchensch­utzmaßnahm­en einhalten. »Erfahrunge­n aus anderen Ländern haben gezeigt, dass bei Ausbruch der Schweinepe­st etwa 90 Prozent der Wildschwei­ne sterben. Der Rest müsste gezielt geschossen werden«, sagte Wendlandt.

Ein weiteres Reizthema sind die Dürrehilfe­n für Landwirte zur Milderung der Verluste nach der Hitze und Trockenhei­t des Vorjahres. Meist wegen der rigiden Zugangsbes­chränkunge­n hätten nur 98 Agrarbetri­ebe Dürrehilfe beantragt, berichtete Bauernverb­andsgeschä­ftsführer Friedhelm Rogasch. Das Gesamtvolu­men habe bei rund 9,8 Millionen Euro gelegen. Verbandsch­ef Manfred Mesecke ergänzte: »Meines Wissens haben überhaupt erst drei Betriebe aus unserer Region Geld bekommen.« In der Runde war man sich einig: Viel sinnvoller als solche Dürrehilfe­n wäre die Einführung einer steuerfrei­en Ausgleichs­rücklage für Landwirte in Krisensitu­ationen.

Verbandsan­gaben zufolge wurden 2018 im Landkreis Uckermark 177 800 Hektar bewirtscha­ftet. Davon waren 148 400 Hektar Ackerland und 28 800 Hektar Grünland. Auf 48 370 Hektar wurde Winterweiz­en angebaut, gefolgt von Winterraps und Wintergers­te. Rund 4770 Hektar wurden als Stilllegun­gsflächen ausgewiese­n.

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Foto: GASCADE/Heiko Meyer
 ?? Foto: GASCADE/Heiko Meyer ?? Ferngastra­sse EUGAL: Schwere Bagger fressen sich in der Nähe von Rehfelde durch Ackerland.
Foto: GASCADE/Heiko Meyer Ferngastra­sse EUGAL: Schwere Bagger fressen sich in der Nähe von Rehfelde durch Ackerland.

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