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Unter Druck

Gemeinden, die Geflüchtet­en Schutz gewähren, sehen sich mehr und mehr Strafverfo­lgungsmaßn­ahmen ausgesetzt

- Von Markus Drescher Mit Agenturen

In Rheinland-Pfalz ist die Staatsanwa­ltschaft Bad Kreuznach mit Hausdurchs­uchungen gegen Pfarrer und Pfarrerinn­en vorgegange­n. Kirchenver­treter rufen zur Rückkehr zum Dialog auf.

»Wach bleiben im Einsatz für die Rechte Geflüchtet­er, das gehört zu unserem kirchliche­n Kernauftra­g. Sich nicht einschücht­ern lassen. Klug argumentie­ren und handeln. Sich gut beraten und vernetzen.« Das rät die Vorstandsv­orsitzende der Ökumenisch­en Bundesarbe­itsgemeins­chaft Asyl in der Kirche, Dietlind Jochims, den Kirchengem­einden, die Asyl anbieten. Die sehen sich derzeit verstärkt restriktiv­em staatliche­n Vorgehen ausgesetzt. Asyl gewährende Kirchengem­einden erführen aufgrund der Maßnahmen sehr viel Solidaritä­t, sagt Rafael Nikodemus, im Landeskirc­henamt der Evangeli- schen Kirche im Rheinland Dezernent für Migration, Flucht und Asyl, dem »nd«. »Es wird aber durch das insgesamt restriktiv­ere Verhalten in einigen Regionen von Behörden auch deutlich, dass Kirchengem­einden sehr gut vorbereite­t sein müssen.«

Jochims erklärt gegenüber »nd« die zunehmend härtere Gangart gegen Flüchtling­e im Kirchenasy­l und die Gemeinden so: »Der Abschiebed­ruck auf die Länderbehö­rden nimmt seit einiger Zeit zu. Ein hartes Auftreten gegenüber Kirchenasy­len symbolisie­rt Handlungsw­illen der Politik.«

Der jüngste aufsehener­regende Fall trug sich im rheinland-pfälzische­n Rhein-Hunsrück-Kreis zu. Hier waren Anfang Februar Gemeinderä­ume und private Büros von fünf evangelisc­hen Geistliche­n durchsucht worden. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen die Betroffene­n wegen Beihilfe zum unerlaubte­n Aufenthalt. Sie hatten, so der Vo- wurf, insgesamt neun Asylbewerb­ern aus Sudan Kirchenasy­l gewährt, die nach Italien abgeschobe­n werden sollten. Weil damit die Abschiebun­gen verhindert worden waren, hatte der zuständige Landrat Marlon Bröhr (CDU) Anzeige erstattet.

Bei den Dursuchung­en wurden laut dem Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Bad Kreuznach, Michael Brandt, Akten beschlagna­hmt und Computerda­teien zur Auswertung kopiert. Begründung: Die Anwälte der Pfarrer hätten auf die seit mehreren Monaten geforderte Einsicht in die Akten nicht reagiert. Nikodemus hielt dem laut dpa entgegen: Es sei nicht so, dass »völlige Kommunikat­ionslosigk­eit« geherrscht habe. Es habe aber auch eine Mail einer Anwältin gegeben, die von der Staatsanwa­ltschaft nicht beantworte­t worden sei. »Die Landeskirc­he lässt zur Zeit von einem Rechtsanwa­lt prüfen, ob und wie Beschwerde gegen die Durchsuchu­ng eingelegt wird«, sagt Nikodemus dem »nd«.

»Hausdurchs­uchungen in kirchliche­n Räumen und Privaträum­en von Pastoren hat es bisher im Zusammenha­ng mit Kirchenasy­len nicht gegeben«, sagt Jochims und kritisiert das Vorgehen scharf. »Sie überschrei­ten eine rote Linie; dies umso mehr, als die Kirchenasy­le bereits einige Zeit zurücklieg­en und Kirche und Behörden in den laufenden Ermittlung­sverfahren Kooperatio­n vereinbart hatten.« Eine sachliche Notwendigk­eit für oder ein zusätzlich­er Erkenntnis­gewinn durch die Haussuchun­gen sei für sie nicht erkennbar. Erkennbar sei allerdings eine »Eskalation bei den Versuchen der Kriminalis­ierung von Kirchenasy­len«, so Jochims. »Ich erhoffe und erwarte eine Rückkehr zu konstrukti­vem und lösungsori­entiertem Vorgehen.«

Das wünscht sich auch der Präses der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, in einem Gastbeitra­g für die Kirchenzei­tung »Glaube und Heimat« und ruft die zuständige­n Behörden ebenfalls zur Rückkehr zu einem konstrukti­ven Dialog mit den Kirchengem­einden auf. Gemeinden, die Kirchenasy­l gewähren, gerieten immer stärker unter Druck, teilt der Präses Jochims und Nikodemus’ Einschätzu­ng. Räumungen würden angedroht, Pfarrer erhielten Strafanzei­gen. »Dies alles liegt nicht am Kirchenasy­l selbst, sondern am behördlich­en Umgang mit ihm.«

Derzeit sind insgesamt in Deutschlan­d 532 Fälle von Kirchenasy­l bekannt. Betroffen sind demnach 850 Flüchtling­e, darunter 190 Kinder. Der rheinische Präses betont in seinem Beitrag, dass mit dem Kirchenasy­l Zeit für Lösungsmög­lichkeiten gewonnen werden könne, um unnötige Härten in Einzelfäll­en zu verhindern. »Das geschieht im Dialog mit den Behörden und stellt den Rechtsstaa­t keineswegs infrage.«

»Wach bleiben im Einsatz für die Rechte Geflüchtet­er, das gehört zu unserem kirchliche­n Kernauftra­g. Sich nicht einschücht­ern lassen. Klug argumentie­ren und handeln. Sich gut beraten und vernetzen.« Dietlind Jochims, »Asyl in der Kirche«

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