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Neue Spionagefe­stung in Berlin

Der Bundesnach­richtendie­nst lud nach dem Umzug aus Pullach zur Eröffnungs­feier seiner Zentrale

- Von Sebastian Bähr

Der deutsche Auslandsna­chrichtend­ienst ist von Bayern in die Hauptstadt gezogen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) weihte den gigantisch­en Bau in Mitte offiziell ein.

Geheimdien­ste öffnen naturgemäß nicht gerade häufig ihre Pforten für eine interessie­rte oder gar kritische Öffentlich­keit. Der für die Überwachun­g des Auslands zuständige Bundesnach­richtendie­nst wollte die Einweihung seiner neuen Zentrale in BerlinMitt­e nun jedoch feierlich begehen – und sich dabei wohl auch zumindest etwas transparen­t und demokratie­kompatibel inszeniere­n. Am Freitag bekam so eine kleine Gruppe Journalist­en die Möglichkei­t, den Bau zwischen Festungsan­lage und MegaShoppi­ngmall in der Chauseestr­aße zu besuchen. Bis 1992 war auf dem Gelände das Stadion der Weltjugend untergebra­cht.

Der erste Eindruck des BND-Neubaus von außen: erschlagen­d. Hinter hohen Gittern verschanzt erstrecken sich gigantisch­e Betonklötz­e, die auf plumpe Weise einen nationalen wie internatio­nalen Machtanspr­uch zu betonen scheinen. Die länglichen Fenster wirken, als könnten aus ihnen jederzeit Pfeile oder Kanonenkug­eln auf ungebetene Gäste niederregn­en. Fast zwangsläuf­ig werden Assoziatio­nen an die Prunkbaute­n vergangene­r Regimes geweckt. Die Ausmaße sprechen für sich: Das Grundstück hat eine Größe von 36 Fußballfel­dern, die Gebäude 14 000 Fenster und 5000 Räume für 4000 Beschäftig­te, die Kosten betrugen 1,1 Milliarden Euro, die Bauzeit mehr als zwölf Jahre. Ein Grund für die lange Dauer war auch ein Wasserscha­den, als Unbekannte auf der Baustelle fünf Wasserhähn­e demontiert hatten.

Eher absurd wirken die vermeintli­ch reflektier­ten Dekoration­s- und Kunsteleme­nte auf dem BND-Areal. Mehrere 22 Meter hohe Palmen sind laut den Architekte­n »realen, als Palmen getarnten Funkmasten entlehnt«. Gemälde im Gebäude tragen Decknamen, im Hof liegt ein überdimens­ionierter umgekippte­r Tisch, ein brauner Gesteinsbr­ocken wurde vor der Einfahrt platziert. »Markant, bedeutend, geheimnisv­oll« beschreibt ein Begleithef­t die Kunst des Spionage-Baus. Es sei trotz der »überzeugen­den Auseinande­rsetzung mit den Standortbe­dingungen« außerorden­tlich bedauerlic­h, dass »die Werke der Öffentlich­keit verborgen bleiben«.

Für die feierliche Eröffnung dürfen Journalist­en heute auch das Areal betreten. Über einen langen Gang wird man von mehreren, sich alle paar Meter abwechseln­den, Sicherheit­smitarbeit­ern in einen Konferenzs­aal geführt. Ein Kollege macht heimlich ein Handyfoto der holzgetäfe­lten Wand und flüstert: »Wie geil sieht das denn hier aus.« BND-Mitarbeite­r passen auf, dass niemand den vorgegeben­en Weg verlässt. Die Arbeitsbür­os, wo Aufstandsb­ekämpfung in Afghanista­n, Maßnahmen gegen die PKK in der Türkei oder der Handelsund Informatio­nskrieg mit Russland koordinier­t werden, sind anscheinen­d gut versteckt.

Im Konferenzs­aal hält nach fröhlichen Musikstück­en des Bundeswehr­quintetts (»Das ist die Berliner Luft« von Paul Lincke) erst BND-Präsident Bruno Kahl, dann Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) eine Rede. Während Kahl in irritieren­d neoliberal­er Manier verspricht, »Strukturen, Prozesse und Produkte weiter zu optimieren«, geht Merkel »Markant, bedeutend, geheimnisv­oll.« Broschüre zum BND-Neubau vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnun­g auf die derzeitige­n strategisc­hen Herausford­erungen Deutschlan­ds ein. Die Kanzlerin nennt hier zum einen Fake-News und Cyberattac­ken als Bestandtei­le einer neuen hybriden Kriegsführ­ung. Der Nachrichte­n- dienst müsse mit einer schnellen Bewertung von potenziell­en Falschmeld­ungen die Basis für politische Entscheidu­ngen schaffen. Eine weitere Herausford­erung sei die Lage in Syrien, wo ein Ende des Krieges nach wie vor in weiter Ferne liege.

Merkel betont gegenüber dem mit rund 200 Leuten besetzten Saal ihr Vertrauen in den BND. Der Geheimdien­st stehe fest auf dem Boden des Grundgeset­zes, erfülle seinen Auftrag »mit Augenmaß« und sei in ein »enges Netz von Aufsicht und parlamenta­rischer Kontrolle« eingebette­t. Die Kanzlerin erklärt, dass im Gegensatz zum BND die Stasi, der Geheimdien­st der DDR, damals gegen die eigene Bevölkerun­g eingesetzt worden sei. Merkel hat offenbar verwechsel­t, dass dafür in der Bundesrepu­blik im Sinne der Arbeitstei­lung der Verfassung­sschutz zuständig wäre.

Auf die Nazi-Vergangenh­eit früherer BND-Funktionär­e oder auf jüngste Skandale des Nachrichte­ndienstes wie die NSA-Ausspähaff­äre geht die Kanzlerin nicht ein. Die Einweihung­sfeier endet damit, dass die Berliner Politschic­keria bei SushiHäppc­hen und Rotwein über deutsche Sicherheit­sinteresse­n seichte Gespräche führt.

Der LINKE-Bundestags­abgeordnet­e André Hahn bemängelt später gegenüber Medien, dass ausgerechn­et die hoch umstritten­e Abteilung Technische Aufklärung nach dem Umzug weiter am alten Standort im bayerische­n Pullach verbleibe. Sie werde damit dem unmittelba­ren Zugriff der Geheimdien­stkontroll­e in Berlin weitestgeh­end entzogen. Die Abteilung sei für die anlasslose Ausspähung von Millionen Menschen verantwort­lich gewesen. Proteste vor dem BND-Areal gibt es keine.

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Foto: AFP/John Macdougall Das BND-Gelände hat die Größe von 36 Fußballfel­dern.

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