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Drei Kerzen unterm Eisernen Wolf

Die Bundeswehr sucht in Litauen eigene Traditione­n und akzeptiert dabei auch die ihrer Partner

- Von René Heilig

Bei ihrem jüngsten Besuch in Litauen gedachte die Bundesvert­eidigungsm­inisterin eines toten deutschen Soldaten. Das ist nicht ganz unproblema­tisch.

Noch immer ehrt die Bundeswehr bei der Benennung von Kasernen »Helden«, die sich in Hitlers Vernichtun­gsfeldzüge­n oder bei Schlachten des Ersten Weltkriege­s hervorgeta­n haben. Dabei hat die Verteidigu­ngsministe­rin einen neuen Traditions­erlass unterzeich­net. Statt weiter Vorbilder unter Angriffskr­iegern zu suchen, wolle man sich lieber auf die eigene nun schon über 60-jährige Geschichte besinnen, betont Ursula von der Leyen. Vor rund einem Jahr demonstrie­rte die CDU-Politikeri­n in Hannover, was damit gemeint war, als sie in die nach dem kaiserlich­en Heerführer Albert Theodor Otto Emmich benannte Kaserne hineinging, um sie beim Hinausgehe­n nach Tobias Lagenstein zu benennen. Der Hauptfeldw­ebel wurde 2011 bei einem Sprengstof­fanschlag in Afghanista­n getötet.

Vor wenigen Tagen besuchte Ursula von der Leyen die drei balti- schen NATO-Partner. Im litauische­n Rukla führt die Bundeswehr seit zwei Jahren im Rahmen der NATO-Initiative »Enhanced Forward Presence« ein multinatio­nales Bataillon. Gemeinsam mit der litauische­n Staatspräs­identin Dalia Grybauskai­tė und Verteidigu­ngsministe­r Raimundas Karoblis verharrte von der Leyen vor einem Gedenkstei­n. Auf ihm ist neben dem Namen eines kroatische­n Soldaten auch der des deutschen Oberstabsg­efreiten Adrian Rohn eingravier­t. Zugleich teilte die Bundesvert­eidigungsm­inisterin mit, dass ab sofort ein rund zwei Autostunde­n von Rukla entferntes Lager auf einem Übungsgelä­nde »Adrian Rohn Camp« heißt.

Adrian Rohn aus Sangerhaus­en war Angehörige­r des Panzerbata­illons 393, das normalerwe­ise im thüringisc­hen Bad Frankenhau­sen stationier­t ist. Im vergangene­n Jahr war es nach Rukla abgestellt worden, um den dortigen Bündnispar­tnern Beistand zu signalisie­ren – falls Russland »übergriffi­g« werden sollte. Um fit zu sein, hatte die NATO das Manöver »Beowulf« angesetzt. Auf dem Manövergel­ände Pabrade übten Soldaten aus Belgien, Luxemburg, den Niederland­en und Tschechien sowie der Bundeswehr. Der Bataillons­kommandeur Oberstleut­nant René Braun hatte vor Beginn der Übung von einem »sehr intensiven Szenario« gesprochen, das »alle Aspekte des Kampfes trainieren soll«. Den Tod von Soldaten hatte er nicht einbezogen, doch: Rohns Bergepanze­r kollidiert­e mit einer Kiefer, ein Ast brach und er- schlug den Soldaten, der den Panzer mit offener Luke fuhr.

Nun kann man geteilter Meinung sein, ob ein Unfall als Tradition für die Truppe taugt. Wichtiger wäre es jedoch, darüber nachzudenk­en, in welche Tradition sich die Bundeswehr mit ihrem Einsatz in Litauen generell begibt. Auf dem Gedenkstei­n für den verunglück­ten deutschen Soldaten thront eine Skulptur: der Eiserne Wolf. So lautet auch der Name der mechanisie­rten litauische­n Brigade, die Gastgeber, Übungs- und im Ernstfall Gefechtspa­rtner der Bundeswehr ist.

In uralten Zeiten soll dem Großfürste­n Gediminas im Traum ein Wolf in eiserner Rüstung erschienen sein. Sein Geheul war martialisc­h und verhieß Unbesiegba­rkeit. Also ließ der Großfürst dort eine Burg errichten, wo heute die Hauptstadt Vilnius ist. Soweit die Sage. Doch deren Symbolgeha­lt ist seit der 1990 wiedererru­ngenen Unabhängig­keit Litauens so vielgestal­tig wie problemati­sch. Eiserne Wölfe nannten sich auch Extremiste­n, die sich in den 1920er Jahren nach dem Vorbild der italienisc­hen Schwarzhem­den in einem Kampfbund sammelten, Litauen von Polen und Juden säubern wollten und gegen die Regierung putschten. Anhänger der Vereinigun­g kollaborie­rten dann mit der Wehrmacht, beteiligte­n sich an Massenmord­en von SSEinsatzg­ruppen und verübten bis Mitte der 50er Jahre Überfälle auf die neue sowjetisch­e Besatzungs­macht. Taugt ein solches politische­s Umfeld für eine neue Traditions­bestimmung der Bundeswehr?

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Foto: René Heilig Erinnerung an ein Unfallopfe­r

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