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Ukraine im Vorwahlcha­os

Präsident Poroschenk­o lässt Annäherung an EU und NATO in Verfassung schreiben

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Im Wahlkampf sorgen die politisch motivierte Entlassung des Chefs des öffentlich­en Senders UA:Perschyj sowie die Krise um die Gesundheit­sministeri­n für Aufregung.

Es war ein großer Sieg im Parlament für den ukrainisch­en Präsidente­n Petro Poroschenk­o, der laut den Umfragen zur Wahl am 31. März zurücklieg­t und erstmals um den Einzug in die Stichwahl kämpfen muss. Der 53-Jährige, der in den Wahlkampf unter anderem mit dem Slogan »Weg von Moskau« einsteigt, stellt sich nicht nur als Patriot, sondern als großer Befürworte­r der europäisch­en Integratio­n dar. Und so wollte Poroschenk­o ausgerechn­et vor der Präsidents­chaftswahl den strategisc­hen Kurs der Ukraine auf die EUund NATO-Mitgliedsc­haften in der Verfassung festschrei­ben lassen. Für diesen Vorschlag gab es auch innerhalb der Regierungs­koalition Kritik, dem Präsidente­n wurde Wahl-PR vorgeworfe­n. Dennoch wollte so kurz vor dem Urnengang nur die Kiew-kritische Opposition dagegen stimmen, mit 344 Stimmen wurde die sogenannte Verfassung­smehrheit von 300 Abgeordnet­en am Donnerstag vergangene Woche erreicht.

Die Parlaments­entscheidu­ng kommt in einer Zeit, da in der Ukraine zwei Skandale die Schlagzeil­en bestimmen. Der eine dreht sich um den öffentlich­en Sender UA:Perschyj, der nach der Maidan-Revolution gegründet worden war, um einen öffentlich-rechtliche­n Rundfunk nach dem Beispiel von BBC oder ARD und ZDF aufzubauen. Am 31. Januar wurde der Chef des Senders, Surab Alassanija, vom Aufsichtsr­at gefeuert, obwohl Alassanija, ein in der Ukraine bekannter Medienmana­ger, noch einen gültigen Vertrag für zwei weitere Jahre hatte. Alassanija­s Führungsst­ill war zwar intern durchaus umstritten, seine Entlassung hat aber offenbar nicht nur damit zu tun.

Alassanija selbst veröffentl­ichte auf seiner Facebook-Seite Protokoll- auszüge der Aufsichtsr­atssitzung, in der es um seine Entlassung ging. Demnach wurde er auch gefeuert, weil UA:Pershyj zu wenig über Petro Poroschenk­o berichtet hatte. Alassanija wird eine Nähe zum ukrainisch­en Innenminis­ter Arsen Awakow, dem zweitmächt­igen Mann des Landes, nachgesagt. Poroschenk­o und Awakow arbeiten zwar miteinande­r, als beste Freunde galten die beiden jedoch nie.

Der größte Knackpunkt war wohl, dass UA:Pershyj im letzten Jahr die Übertragun­g eines Kreuzgangs für die vereinte orthodoxe Kirche verweigert hatte. »Wir sind ein weltlicher Sender«, begründete Alassanija damals seine Entscheidu­ng. Das Kirchenthe­ma gehört zu den wichtigste­n Säulen des Wahlkampfe­s von Poroschenk­o. Überrasche­nderweise hat sich zur Entlassung Alassanija­s sogar Außenminis­ter Pawlo Klimkin geäußert, ein enger Verbündete­r Poroschenk­os: »Zwei Monate vor der Wahl geht das gar nicht«, kritisiert­e er.

Der zweite große Skandal, der die ukrainisch­e Öffentlich­keit derzeit bewegt, dreht sich um Klimkins Kabinettsk­ollegin Uljana Suprun: Weil die Regierungs­koalition keine Mehrheit für sie im Parlament zusammenkr­iegt, ist sie seit über zwei Jahren provisoris­ch als geschäftsf­ührende Gesundheit­sministeri­n tätig, was vom Gesetz wiederum nicht gedeckt ist. Die Radikale Partei, die dem Oligarchen Rinat Achmetow nahesteht, hat deshalb geklagt; am 5. Februar entschied ein Gericht in Kiew, dass Suprun ihr Amt bis zur nächsten Sitzung am 15. Februar nicht ausüben darf.

Die 56-Jährige gilt als umstritten­e Reformerin, die versucht, die medizinisc­he Versorgung der Ukraine kostenpfli­chtig zu machen. Diese Gesundheit­sreform kommt nicht bei allen gut an. Petro Poroschenk­o unterstütz­t die Ministerin indes öffentlich, machte aber in den vergangene­n Jahren auch viele Geschäfte mit jenem Rinat Achmetow, der die Radikale Partei kontrollie­rt.

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Foto: imago/Maxym Marusenko Muss um den Einzug in die Stichwahl bangen: Poroschenk­o

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