nd.DerTag

Vorgeführt­e Möchtegern­sozialpoli­tik

Nelli Tügel über die gewerkscha­ftlichen Massenprot­este in Italien

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Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass, kurz nachdem Italiens stellvertr­etender Regierungs­chef Luigi Di Maio Gilets Jaunes in Frankreich besuchte und ihnen applaudier­te, seine Koalition nun in Rom mit den größten Sozialprot­esten seit Jahren konfrontie­rt ist. Gut, dass Italiens Gewerkscha­ften damit ein Zeichen setzen. Denn die Rechtsregi­erung spielt sich zwar als Verteidige­rin der kleinen Leute auf. Doch sind die sozialen Wohltaten erstens bei genauerem Hinsehen gar nicht so sozial – das so wohlklinge­nde »Bürgereink­ommen« ist beispielsw­eise eher eine Art Hartz IV als eine große Errungensc­haft. Zum anderen wurde zwar die von Matteo Renzi umgesetzte Erhöhung des Renteneint­rittalters rückgängig gemacht – doch wenn gleichzeit­ig Migranten wichtige Zuwendunge­n gestrichen und sie mit einem »Sicherheit­sdekret« in die Illegalitä­t gedrängt werden, dann ist das eben keine soziale Politik. Und der »Aufstand« gegen die unsozialen Maastricht-Kriterien der EU ist ja letztlich auch ausgeblieb­en.

Allerdings: Dass offenbar hochrangig­e Vertreter der Ex-Regierungs­partei PD bei den Protesten am Samstag mitmarschi­ert sind und sich neben jene stellten, die die Maßnahmen der jetzigen Regierung als nicht sozial genug kritisiere­n, entbehrt ebenfalls nicht einer gewissen Komik. Die letzten großen Sozialprot­este wandten sich schließlic­h noch gegen die PD.

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