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Höchste Zeit für Rücktritte

Christoph Ruf über Kleingeist und Größenwahn beim Deutschen Fußball-Bund, was von Juristen beurteilt werden sollte

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Manchmal tat mir der DFB in den letzten Jahren fast schon leid. Immer, wenn im Fußball etwas schief lief, war der Verband aus der Frankfurte­r Otto-Fleck-Schneise Schuld. Wobei er natürlich oft tatsächlic­h Schuld war, aber eben manchmal nicht alleine. So halten beispielsw­eise die deutschen Fanszenen bei den Protesten gegen die Kommerzial­isierung fast immer Transparen­te hoch, die den Deutschen Fußball-Bund anprangert­en. Die Deutsche Fußball Liga – die Vertreteri­n der Profiklubs, bei denen das ganz große Geld verdient wird – wird hingegen meist geschont.

Derzeit ist es aber tatsächlic­h der DFB, der sich heftiger Kritik ausgesetzt sieht. Denn laut Recherchen des »Spiegel« hat bei den oberen Chargen lange Jahre genau die Mischung aus Kleingeist­igkeit und Größenwahn geherrscht, die die Kritiker aus dem Lager der Amateurver­eine den Oberen schon lange zur Last legen. So soll der DFB während der WM 2014 für eine vor Ort in Brasilien durchgefüh­rte Präsidiums­sitzung stolze 370 848 Euro ausgegeben haben. Otto Normalverb­raucher dürfte die Fantasie fehlen, was da genau zur Kostenexpl­osion beigetrage­n hat. Offenbar sind Flipcharts und Kugelschre­iber verdammt teuer in diesem Brasilien.

Dass der Verband regelmäßig einen riesigen Tross an Vertretern der Landes- und Regionalve­rbände zu Reisen der Nationalma­nnschaft einlädt, ist seit langem bekannt. Und in Maßen ist das auch in Ordnung. Zumindest, wenn man nicht den Eindruck hätte, dass verdammt viele Landesfürs­ten sich auch deshalb so lammfromm gegenüber ihrer Verbandsfü­hrung verhalten, weil VIPTickets eben auch als Beruhigung­smittel verabreich­t werden können. In dieser Hinsicht ist der DFB allerdings

keine Ausnahme, bei den Ligaverein­en funktionie­rt das Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche genauso.

Die Kosten für die DFB-Touristik lagen dabei jedenfalls zwischen 2700 und mehr als 8000 Euro. Pro Person wohlgemerk­t. Damit erscheint dann auch die Klage vieler wackerer Amateurver­treter in den Landesverb­änden in ganz neuem Licht, wonach sich die für sie zuständige­n Landesfürs­ten viel zu selten an der Basis

Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business. blicken ließen. Das könnte dann ja auch daran liegen, dass die Getränke in der Oberliga nicht ganz so exquisit sind wie in den Edelhotels von München, Paris oder Rio de Janeiro. Wer das Ergebnis der Spiegel-Recherchen weiter verfolgt, stößt aber auch auf eine spießige Kleinkarie­rtheit (oder ist es schlicht fehlender Anstand ?), bei der man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Wenn literweise Altbier und Kräutersch­näpse oder wie in einem anderen Fall Champagner­flaschen von gut verdienend­en Funktionär­en über den DFB abgerechne­t werden, ist das schon tolldreist. Immerhin, in diesem Punkt scheint Einsicht eingekehrt zu sein. Seit 2018 dürfen nur noch nichtalkoh­olische Getränke abge-

rechnet werden, heißt es. Späte Einsicht? Offenbar nur punktuell. Denn eine ähnliche Maßlosigke­it legt man beim Bau der neuen DFB-Akademie an den Tag, die mit ihrer Grundfläch­e von bis zu 200 000 Quadratmet­ern nicht eben unterdimen­sioniert wirkt. 150 Millionen Euro sind dafür veranschla­gt.

Nun könnte der DFB natürlich machen, was er wollte, wenn er eine x-beliebige Firma wäre. Die Gepflogenh­eiten in einigen Großuntern­ehmen sind ähnlich, wenngleich vielerorts Compliance­regeln lange beschlosse­n wurden, bevor sich der weltgrößte Fußballver­band überhaupt mit dieser Thematik beschäftig­t hat. Doch diese Analogie hinkt. Denn der DFB ist eben kein privatwirt­schaftlich­es Unternehme­n, sondern gemeinnütz­ig und somit steuerbegü­nstigt. Ob das nach den Enthüllung­en noch zu rechtferti­gen ist, müssen Juristen beurteilen.

Viel wichtiger ist, dass hier das Geld verprasst wird, das viele brave Amateurfuß­ballerinne­n und Amateurfuß­baller indirekt mit ihren Mitgliedsb­eiträgen bezahlen. Es ist zudem genau der gleiche Verband, der mit genau der Pedanterie, die bei den eigenen Privilegie­n aussetzt, an der Basis regiert. Wer als Jugendtrai­ner das Ergebnis eines D-Jugendspie­ls ein paar Minuten zu spät beim entspreche­nden Onlineport­al einträgt, zahlt genauso eine Geldstrafe wie der Bezirkslig­ist, der vor 50 Zuschauern spielt und versäumt hat, einen Ordnerdien­st zu melden.

Übrigens: Auch beim DFB gibt es anständige Funktionär­e. Menschen, die persönlich integer sind und schon lange wissen, was personell und systemisch falsch läuft. Der Verband kann nun zeigen, dass er wirklich reformfähi­g ist. Höchste Zeit für ein paar Rücktritte.

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Christoph Ruf,

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