nd.DerTag

Drohbriefe: Polizei fehlen Erkenntnis­se

- Von Nicolas Šustr

Hat der rechtskräf­tig verurteilt­e Polizist, der Drohbriefe an das Umfeld des Hausprojek­ts »Rigaer94« verschickt­e, allein gehandelt? Ein Anwalt von Betroffene­n bezweifelt das.

Zu den Drohbriefe­n an vermeintli­che Angehörige der linken Szene aus dem Umfeld des Hausprojek­ts »Rigaer 94« in Berlin-Friedrichs­hain bleiben trotz rechtskräf­tiger Verurteilu­ng eines Polizisten Fragen offen. Die Frage der Landesdate­nschutzbea­uftragten Maja Smoltczyk, »wie der Tatverdäch­tige an die im Drohbrief enthaltene­n personenbe­zogenen Daten gelangen konnte«, beziehungs­weise ob und wo er diese gespeicher­t oder gesammelt hat, konnte durch das Landeskrim­inalamt »nicht vollumfäng­lich« ermittelt werden, heißt es bei der Polizei auf nd-Anfrage.

»Die Antwort der Polizei scheint mir den Verdacht zu nähren, dass der Polizist nicht allein gehandelt hat, sondern Helfer oder Mittäter in der Polizei hatte«, sagt der Anwalt Martin Henselmann, der einige in dem Drohbrief genannte Personen vertritt. Offenbar habe der betreffend­e Beamte selber keinen freien Zugang zu den in dem Brief genutzten Daten gehabt, vermutet er. Diese »umfassten teil-

»Die Antwort der Polizei scheint mir den Verdacht zu nähren, dass der Polizist nicht allein gehandelt hat.« Martin Henselmann, Anwalt

weise sehr spezielle polizeilic­he Erkenntnis­se über die Betroffene­n«, so Henselmann. »Wenn der Beamte den Ermittlern in seinem ›vollumfäng­lichen Geständnis‹ also nicht offenbarte, wo er die Daten her hatte, dann möglicherw­eise deshalb, weil er dadurch seine Helfer oder Mittäter verraten müsste«, schlussfol­gert der Anwalt.

Wie berichtet, hatte ein Polizist bereits im August 2018 zugegeben, die Briefe mit Daten von insgesamt 45 Personen verschickt zu haben. Er kam nach rbb-Informatio­nen mit einem Strafbefeh­l über 3500 Euro wegen Datenschut­zverstößen davon.

Der Vorwurf von Smoltczyk, bei der Aufklärung des Skandals nicht zu kooperiere­n, sei jedoch »nicht nachvollzi­ehbar«, heißt es bei der Polizei. Seit Januar 2018 habe man ihre Auskunftse­rsuchen beantworte­t, so die Polizei. »Nachdem wir von der zuständige­n Staatsanwa­ltschaft die Weisung erhalten haben, dass keine Herausgabe von Daten und Informatio­nen über die Polizei erfolgen solle«, habe im April 2018 zu einem Fragenkata­log nicht Stellung genommen werden können. Man habe angeregt, die »Angelegenh­eit direkt mit der zuständige­n Staatsanwa­ltschaft« zu klären. Diese hat auf eine nd-Anfrage nur angegeben, dass die Informatio­n über die rechtskräf­tige Verurteilu­ng des Polizisten an Smoltczyk übermittel­t worden sei und dass zu Fragen »die Zuständigk­eit der Polizei betreffend«, keine Antwort gegeben werden könne.

»Die Umsetzung organisato­rischer Maßnahmen, wie zum Beispiel Aufarbeitu­ng des Vorfalls durch interne Maßnahmen, wird noch geprüft«, erklärt die Polizei. Ein Disziplina­rverfahren sei mit Abschluss der Ermittlung­en im Strafverfa­hren fortgesetz­t worden.

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