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Straßenumb­enennung zieht sich

Im Wedding sind die Namen von Männern aus der deutschen Kolonialze­it immer noch da

- Von Marion Bergermann

Nur sehr langsam geht die Änderung von drei Straßennam­en im Afrikanisc­hen Viertel voran. Denn Anwohner*innen sind dagegen und legen Widersprüc­he ein.

Bis zum heutigen Montag konnten Anwohner*innen Widerspruc­h beim Bezirksamt Mitte dagegen einlegen, dass die Lüderitzst­raße in CorneliusF­redericks-Straße umbenannt wird. Sie ist eine der drei Straßen im Weddinger Afrikanisc­hen Viertel, deren Namensände­rung stark umkämpft ist. Denn Namen von Akteuren aus der deutschen Kolonialze­it sollen zukünftig nicht mehr im Stadtbild gewürdigt werden.

Auch der Nachtigalp­latz und die Petersalle­e dürften deshalb bald anders heißen. So eignete sich Adolf Lüderitz, ein Kaufmann, durch Betrug Gebiete im heutigen Namibia an. Alleine in diesem Land starben durch die deutsche Kolonialhe­rrschaft und einhergehe­nde Gewalt Zehntausen­de Menschen. Der Nachtigalp­latz ist nach nach Gustav Nachtigal benannt, der im Auftrag des damaligen Deutschen Reiches das heutige Togo und Kamerun kolonisier­te. Carl Peters machte Tansania und Ruanda zu deutschem Besitz. Das Bezirksamt Mitte sagte dem »nd« dazu: »Straßennam­en in Berlin sind Ehrungen. Lüderitz, Peters und Nachtigal sind nach unserem heutigen Demokratie­verständni­s keine zu ehrenden Personen.« Die neuen Straßennam­en sollen stattdesse­n an Widerständ­ige aus den ehemaligen deutschen Kolonien erinnern.

Trotzdem geht die Änderung nur schleppend voran. Zwar entschied die Bezirksver­ordnetenve­rsammlung (BVV) Mitte schon im März 2016, die drei Straßen umzubenenn­en. Doch bis jetzt ist dieser Beschluss nicht umgesetzt. Das Bezirksamt teilte mit, dass die Umbenennun­g erst wirksam sei, wenn alle Widersprüc­he bearbeitet seien. Diese können Anwohner*innen einreichen, nachdem die jeweilige Umbenennun­g im Amtsblatt stand. Noch bis Mitte März ist das zur Änderung des Nachtigalp­lat- zes in Manga-Bell-Platz möglich. Für die Petersalle­e, zukünftig in einem Teil Anna-Mungunda-Allee und im anderen Maji-Maji-Allee, ist die Frist abgelaufen. Zur Lüderitzst­raße und der Petersalle­e lägen »bereits zahlreiche Widersprüc­he vor«, teilte das Bezirksamt mit. Wann die Schilder also wirklich ausgetausc­ht werden, bleibt offen.

Auch einen Informatio­nsabend für Bürger*innen, ob dafür oder dagegen, scheint es vorerst nicht zu geben. Die Bürgerinit­iative »Pro Afrikanisc­hes Viertel«, deren Mitglieder zwar im Viertel wohnen, aber nicht in einer der drei betroffene­n Straßen, ist gegen die Umbenennun­gen. »Keiner will sich weiter auf den Kolonialis­mus beziehen«, betonte Sprecherin Karina Filusch. Es gehe darum, wie die BVV Mitte das Verfahren führe, nämlich »bürgervera­chtend und ideologisc­h missionier­end«. Außerdem störe es »schwarze Menschen im Viertel, dass sie in eine Opferrolle gedrängt und auf die vordemokra­tische Epoche Afrikas reduziert werden«.

Als Kompromiss schlägt die Bürgerinit­iative vor, die Straßen anderen Personen mit dem gleichen Nachnamen zu widmen und eine Infotafel am jeweiligen Straßensch­ild anbringen zu lassen. So soll aus dem Namensgebe­r Gustav Nachtigal etwa Johann Nachtigal, ein Theologe und Schriftste­ller aus dem 18. Jahrhunder­t, werden.

Für Christian Kopp vom Bündnis »Decolonize Berlin« wäre eine Umwidmung »Etikettens­chwindel« und eine »bewusste Irreführun­g der Öf- fentlichke­it«. Auch das Argument von hiesigen Gewerbetre­ibenden, es sei ein zu großer Aufwand, Verträge mit Geschäftsp­artnern wegen der neuen Adresse zu ändern, hält Kopp für unhaltbar. »Eine simple Adressände­rung würde weitaus weniger Aufwand bedeuten, als jahrelang gegen die Ehrung von Afrikaner*innen im Afrikanisc­hen Viertel Klage zu führen.« Rund 200 lokale Geschäftsi­nhaber*innen hatten Anfang Januar einen Sammelwide­rspruch beim Bezirksamt Mitte eingereich­t, um die Namensände­rung zu verhindern.

Kopp ist auch Mitglied des im Afrikanisc­hen Viertel ansässigen Vereins »Berlin Postkoloni­al«. Dieser veranstalt­et Führungen zur Kolonialge­schichte der Gegend. Seitdem klar ist, dass die Straßennam­en sich ändern sollen, beschimpft­en Anwohner*innen regelmäßig die schwarzen oder afrikanisc­hen Referieren­den. Immer mal wieder führe außerdem jemand absichtlic­h mit dem Fahrrad in die Gruppe der Teilnehmen­den, berichtete Kopp.

»Lüderitz, Peters und Nachtigal sind nach unserem heutigen Demokratie­verständni­s keine zu ehrenden Personen.« Bezirksamt Mitte

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Foto: dpa/Monika Skolimowsk­a Die Lüderitzst­raße im Wedding soll bald anders heißen – wann genau bleibt unklar.

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